Ein 19-Jähriger aus Hütten fährt zur Schule – und gerät in eine Polizeikontrolle, woraufhin die Ereignisse ihren Lauf nehmen.

Vielleicht sind es seine langen Haare, sein Zopf oder sein wilder Bartwuchs, warum er des öfteren bei Polizeikontrollen ganz gründlich überprüft wird – dem 19 Jahre alten Tjorge Paulsen aus Hütten (Kreis Rendsburg-Eckernförde) fällt sonst kein anderer Grund dafür ein,. Die Kontrolle vor wenigen Tagen war nicht die erste, aber für den jungen Mann die Kontrolle, die ihm wohl am nachhaltigsten in Erinnerung bleiben wird.

Um 11.15 Uhr sollte Tjorge Paulsen zu seiner mündlichen Abiturprüfung an der Peter-Ustinov-Schule in Eckernförde antreten. Rechtzeitig fuhr er mit dem Auto aus Hütten los. Sein Bruder Djure (16), der noch einige Erledigungen zu machen hatte, stieg zu ihm in den Wagen. „Ich hatte schlecht geschlafen und habe noch meine Allergiemedikamente eingenommen“, erzählt Tjorge. Auf der Fahrt fielen den beiden jungen Männern dann ein roter VW Passat auf, der vor ihnen fuhr und immer mal wieder abbremste. Schließlich leuchtete hinten die Anzeige „Polizei, bitte folgen“.

In einer Seitenstraße hielten beide Fahrzeuge an und zwei Polizisten in Uniform, ein Mann und eine Frau, stiegen aus. „Schönen guten Tag, allgemeine Verkehrskontrolle“, so die Begrüßung der Beamten. Tjorge stieg aus, zeigte Führerschein und Fahrzeugpapiere. „Wo geht’s hin?“ fragte der Beamte. „Zur meinem mündlichen Abitur“, sagte Tjorge Paulsen. „Dafür sind sie aber ganz schön ruhig“, entgegnete der Polizist. „Dabei habe ich vor Aufregung ganz schön gezittert“, so der 19-Jährige.

Ob er getrunken oder Drogen genommen habe, wollten die Beamten wissen. Tjorge Paulsen verneinte, gestand aber ein, früher schon mal einen Joint geraucht zu haben. Er sollte mit den Augen der Mine eines Kugelschreibers folgen. Die Bindehäute in den Augen seien aufgrund seiner Allergien gerötet, erklärte der Abiturient. Mittlerweile hatte sein Bruder in der Schule angerufen und mitgeteilt, dass sich Tjorge verspäten werde.

Ob er bereit sei, eine Urinprobe an Ort und Stelle anzugeben? Paulsen willigte ein. Doch auf Befehl pinkeln, das klappte nicht. Der 19-Jährige trank alle Getränkevorräte aus, die er für seine Abiprüfung eingepackt hatte, vergebens, es lief nicht. Paulsen bot an, nach Hause zu fahren, das sei gleich um die Ecke, dort könnte er ein, zwei Kaffee trinken. Er stieg bei der Polizei ein, selber fahren durfte er aufgrund des Verdachts, er könne unter Drogen stehen, nicht. Sein Bruder Djure sollte auf Anweisung der Beamten an der Straße warten.

„Als mein Sohn mit der Polizei vorfuhr und Djure nicht dabei war, war der Schreck groß“, erzählt Mutter Dörte Paulsen, die als Ärztin in Eckernförde arbeitet. Was denn los sei, wollte sie wissen. Doch die Polizisten durften ihr keine Auskunft geben, ihr Sohn sei volljährig. Er erläuterte ihr schließlich seine Bredouille und ging auf Toilette. Doch Fehlanzeige. „Mein Sohn muss zum Abitur“, betonte Dörte Paulsen. Sie könne ihm Blut abnehmen und zeigte den Beamten ihren Arztausweis. Der Weg zum Vertragsarzt der Polizei hätte noch mehr Zeit gekostet. Die Polizisten stimmten zu, belehrten Tjorge, beklebten die Entnahmeröhrchen, und Dörte Paulsen ließ ihren Sohn zur Ader – das Ergebnis indes wird Wochen auf sich warten lassen.

Dann durften sie los. Seine Mutter fuhr, unterwegs sammelten sie Djure Paulsen an der Straße ein und erreichten mit zweistündiger Verspätung die Schule. „Wir haben noch eine Lücke für die Prüfung gefunden, aber so etwas haben wir noch nicht erlebt“, sagte Schulleiter Dirk Söhren. Man habe Tjorge gefragt, ob er sich jetzt wirklich der Erdkunde-Prüfung stellen könne. Tjorge Paulsen wollte – mit Erfolg: Sehr gut, 15 Punkte!

Sönke Hinrichs, Pressesprecher der Polizeidirektion Neumünster, hat sich auf Nachfrage über den Vorfall informiert. Nach seiner Aussage hätten die Kollegen richtig gehandelt. Im Protokoll stehe, dass Tjorge Paulsens Fahrweise auffällig gewesen sei, die roten, glasigen Augen seien ein weiteres Indiz für Drogenkonsum gewesen. Zudem habe er zugegeben, schon mal einen Joint geraucht zu haben. „Damit sind die Kollegen verpflichtet, be- und entlastendes Material zu sammeln“, so Hinrichs, und das mit der Urinprobe habe ja nicht geklappt. Ansonsten wäre die Sache schon früher erledigt gewesen. Der Mutter die Blutentnahme beim Sohn zu gewähren, sei sogar ein Entgegenkommen der Polizisten“, betonte Hinrichs, denn eigentlich gelte sie als befangen.

Andere Jugendliche wären nach dieser Aktion völlig von der Rolle gewesen, hätten sich für diesen Tag die Prüfung abschminken können, sagt Dörte Paulsen. Sie sei froh, dass Tjorge das alles so gut weggesteckt hat. In der Prüfung musste er nicht nur konzentriert bleiben und nicht an den Drogentest denken, sondern „ich musste auch die ganze Zeit aufs Klo“.

von

Günter Schwarz – 06.07.2016