Nach antisemitischen Äußerungen des Abgeordneten Wolfgang Gedeon ist die AfD in Baden-Württemberg tief gespalten. Einig sind sich die beiden Lager nur in einer Sache: Den jeweils anderen geht es nicht um Moral, sondern um Intrigen.

Jörg Meuthen hätte Frauke Petry am liebsten Hausverbot erteilt. Er bat sogar das Personal an den mit Panzerglas gesicherten Pförtnerhäuschen des baden-württembergischen Landtags, der AfD-Vorsitzenden den Zutritt zu verweigern. Doch dazu ist nur die Parlamentspräsidentin berchtigt, da sie allein das Hausrecht innehat. Somit blieb Meuthens Bitte erfolglos und er musste Frauke Petry wohl oder übel im Landtag empfangen, war für Meuthen schon die zweite Niederlage binnen weniger Stunden war, denn schon am späten Dienstagabend hatte Petry ihren Ko-Vorsitzenden vorgeführt, indem ihr etwas innerhalb von vier Stunden gelungen war, woran Meuthen scheiterte.

Sie hatte den wegen antisemitischer Publikationen in der Kritik stehenden Abgeordnete Wolfgang Gedeon überzeugt, die AfD-Fraktion im Baden-Württembergischen Landtag freiwillig zu verlassen. Das hatte Meuthen über Wochen vergeblich versucht. In seiner Verzweiflung hatte er sogar seinen Fraktionsaustritt erklärt, und den von zwölf weiteren Abgeordneten gleich mit.

Petry vermittelt vergeblich

Für ein paar Stunden sah es so aus, also ob Petry als Siegerin wieder nach Berlin fahren würde. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch schien es zeitweise sogar, als würden manche von Meuthens zwölf Mitstreitern wieder in ihre alte Fraktion zurückkehren. Petry soll in der Nacht viele Telefonate mit diesem Ziel geführt haben und selbst Meuthen wurde von ihr zur Rückkehr aufgefordert.

Am Mittwochmorgen aber war von Überläufern keine Rede mehr. Im vierten und fünften Stück des Königin-Olga-Baus am Stuttgarter Schlossplatz berieten die zerstrittenen Lager miteinander. Meuthen tagte mit seinen Anhängern in Raum 506 im 5. Stockwerk, Frauke Petry mit ihren Getreuen in Raum 433 im 4. Stockwerk. Der jetzt fraktionslose Abgeordnete Gedeon, der mit dem Austritt aus der AfD-Fraktion allerdings nicht auf sein Landtagsmandat als Abgeordneter verzichten wollte, fuhr mit Rainer Podeswa und Stefan Herre den Fahrstuhl hoch. Auch Podeswa und Herre haben der Fraktion wegen Gedeon den Rücken zugekehrt. „Was tut man nicht alles für das Gemeinwohl. Ich habe die Voraussetzungen zum Zusammenhalt der ganzen Partei geschaffen“, sagte Gedeon.

„Fragen Sie doch mal, warum er das erst jetzt tut, er ist doch bei jeder Fraktionssitzung dazu aufgefordert worden“, sagte Herre. Gedeon ging zu seinem Büro und versuchte mit der Chipkarte die Tür aufzuschließen. Er spielt im Machtkampf der AfD jetzt keine Rolle mehr und verschwand in Zimmer 438.

„Fraktion zur alten Stärke führen“

In Zimmer 433 tagte Petry mit den neun Abgeordneten, die Meuthen nicht folgen wollten. „Entschuldigen Sie, dass ich so schlecht geschminkt bin, ich hatte weder Zahnbürste noch einen Koffer dabei“, sagte sie, als sie ein kurzes Fernsehinterview gab. „Heute geht es darum, die Fraktion wieder zusammenzuführen. Ich bin Bundesvorsitzende für Gesamtdeutschland, ich habe darum gebeten, dass sich alle 23 Abgeordneten einfinden. Wir werden die Fraktion zu neuer Stärke führen.“ Sie wollre erreichen, dass „Jörg“ wieder Mitglied der alten Fraktion werde. „Ich habe mich bis gestern in der ganzen Angelegenheit zurückgehalten“, sagte Petry.

Das erlenten Mitglieder der Landtagsfraktion jedoch etwas anders, sie berichten von vielen Telefonaten Petrys und zahlreichen Einflussversuchen in den vergangenen Wochen. Die Frage, ob sie nun der „Friedensengel“ sein werde, beantwortete Petry nicht. Gegen 10.25 Uhr trat Meuthen dann in den Flur des Abgeordnetenhauses.

Petry kein „Friedensengel“

Er schien noch weniger Schlaf bekommen zu haben als in den vergangenen Tagen. Auch er wurde gefragt, ob Petry ein „Friedensengel“ sei: „Das ist nicht meine Wahrnehmung“, entgegnete er knapp. Er hatte bisher „kein Date“ mit Petry gehabt. Dann ging er zum Angriff über: „Es stimmt einfach nicht, wenn Frau Petry behauptet, sie allein hätte Wolfgang Gedeon zum Austritt aus der Fraktion bewegt. Sie hätte das nie im Leben hinbekommen, wenn der Druck durch den Austritt der 13 Abgeordneten nicht so groß gewesen wäre.“ Die Situation sei momentan „völlig ergebnisoffen“, „AfD-Tage“ seien immer „voller Überraschungen“, sagte Meuthen und verschwand in Richtung Sitzungszimmer 506.

von

Günter Schwarz – 07.07.2016