Die derzeitigen Unruhen im texanischen Dallas kommen nicht von ungefähr, und sie sind auch nicht „zufällig“ ausgebrochen mit einem momentan noch unbekannten Motiv, wie es derzeitig über die Medien verbreitet wird.

Ursache dieser Unruhen ist das tiefe Misstrauen des farbigen Bevölkerungsteils in den USA gegen die Ordnungsbehörden der Polizei und umgekehrt. Dabei handelt es sich allerdings nicht nur um schwarze Amerikaner, die ernstzunehmende Vertauensdefizite in die Arbeit der Polizei haben, sondern ebenso im Fokus amerikanischer Polizisten stehen die Latinos, also jene Amerikaner, die aus lateinamerikanischen Staaten in die USA eingewandert sind, und die Ureinwohner des Landes, die Indianer, stehen ebenso „etwas außerhalb“ der Gesellschaft und somit auch außerhalb „normaler“ weißer Bürger der Staaten – auch in den Augen von Polizisten!.

Im modernen Amerika, in dem seit fast 8 Jahren zum ersten Mal in der Geschichte ein Afro-Amerikaner Präsident ist, gibt es auch 52 Jahre nach der Aufhebung der Rassengesetze noch immer eine Art Naturgesetz, das sich als widerstandsfähiger als jede Vernunft und bessere Einsicht erweist.

Erst am 2. Juli 1964 hat der damalige US-Präsident Lyndon B. Johnson nach einer 200-jährigen Unabhängigkeit der Vereingten Staaten von Amerika seine Unterschrift unter den „Civil Rights Act“ gesetzt. Es war 1964 ein historischer Moment in den Vereinigten Staaten, denn Hotels, Kinos, Einkaufzentren, Bäder, Bibliotheken, alle öffentlichen und öffentlich zugänglichen Einrichtungen durften Schwarzen und anderen Farbigen den Zutritt ab sofort nicht mehr verwehren oder ihnen gesonderte Plätze zuweisen. Diskriminierung am Arbeitsplatz ist seitdem ebenso verboten. Knapp zehn Jahre nach dem Verbot der Segregation (Rassentrennung, Apartheit) in öffentlichen Schulen beendete Amerika damit formell die Rassentrennung.

Bei der Unterzeichnung des „Acts“ rief der Demokrat Johnson die Amerikaner dazu auf, „die letzten Überbleibsel der Ungerechtigkeit in Amerika auszuräumen“ und „die Quellen des rassistischen Gifts trockenzulegen“.

Formell sind alle Amerikaner seither gleich – doch im alltäglichen Leben hat sich mit der Aufhebung der Rassegesetze auch bis zum heutigen Tag kaum etwas geändert, denn in den Köpfen vieler weißer Amerikaner herrscht nach wie vor die Vorstellung der Überlegenheit der „weißen Rasse“, an der ein „Herr namens Hitler“ auch heute noch seine „wahre Freude“ hätte.

Allerdings ist nicht nur rassistisches Gedankengut bei weißen Amerikanern vorhanden, denn auch schwarze und lateinamerikanische Amerikaner „pflegen“ ihren Rassismus untereinander und wissen durchaus, ihn gegeneinander zu instrumentalisieren und einzusetzen.

Das die Farbigen in Dallas nach den überzogenen und gesetzeswidrigen Übergriffen weißer amerikanischer Polizisten auf schwarze Bürger bei einer Verkehrskontrolle in Minnesota wegen eines defekten Rücklichts am Auto und einer Personenkontrolle auf einem Parkplatz in Louisiana durch zwei Polizisten ihr Leben ließen, geschah nicht zufällig, denn beide Morde offenbarten nur ein tief sitzendes Misstrauen der Weißen gegenüber Farbigen in den USA. So versuchte einer der Polizisten sich mit der Tötung des Schwarzen auf dem Parkplatz dadurch noch zu rechtfertigen, er hätte sich bedroht gefühlt. Ein zufällig aufgezeichnetes und im Internet verbreitetes Video eines Zeugen beweist jedoch, der Schwarze trug zwar eine Waffe bei sich, aber sie steckte in einer Tasche, und der Polizist zog die Waffe erst von dort heraus, nachdem der Mann bereits erschossen worden war.

Insofern ist verständlich, dass sich farbige amerikanische Bürger gegen ein derartiges Vergehen der Polizei auflehnen und überall im Land zu Demonstrationen aufrufen. Darüber das, wie in Dallas gestern Abend geschehen, solche Demonstrationen sozusagen von „Trittbrettfahern“ genutzt werden, um Vebrechen zu begehen, muss man sich nicht wundern. Das kennen wir auch von Demonstrationen hier in Deutxschland, Dänemark oder sonst wo. Auch hier schließen sich Leute friedlichen Demonstrationen an, um ganz eigene und oft kriminelle Ziele zu verfolgen.

Nur, und darin besteht der Unterschied zu Europa, tritt die amerikanische Polizei auch bei friedlichen Demonstrationen ganz anders auf, als wir es hier gewohnt sind und auch kennen. Neben der „normalen Polizei“ rückt häufig die Nationalgarde je nach Demonstration in entsprechender Stärke gleich mit an, und sie erweckt mit ihrem Kriegsgerät kaum den Eindruck, schützen zu wollen, sondern sie tritt im Gegenteil eher martialisch auf und wird von vielen als Bedrohung empfinden. Auch was die Nationalgarde an Bewaffnung in der Regel „dabei hat“, würde fast durchaus für den nächsten Irak-Krieg ausreichen und erweckt unter Demonstranten eher ein Unbehagen als das Gefühl der Sicherheit und beschützt zu werden.

Die Polizei in Kooperation mit der Nationalgarde geht bei Demonstrationen von Schwarzen, Latinos oder Indianern schon bei geringsten Ausschreitungen bereits mit aller Härte vor, wobei zumeist „nur“ Polizeihunde, Tränengas und Gummigeschosse gegen die Demonstranten eingesetzt werden. Polizisten, die sich den Demonstranten in den Weg stellen, erinnern dabei mehr an Soldaten als an Ordnungshüter, denn auch sie tragen militärische Anzüge und Schutzschilder und rücken in gepanzerten Fahrzeugen vor.

„Militärische Bewaffnung bringt mehr emotionale und psychologische Distanz zwischen Polizisten und Bürgern“, sagt Rechtsprofessor Jody Armour von der Universität Südkalifornien. Das Credo „dienen und schützen“ werde unterlaufen – und das Vertrauen zwischen Bürgern und Polizei zerstört.

Amerikas mächtigste Polizeigewerkschaft, die Patrolmen’s Benevolent Association, wird aus dem Angriff auf die Polizei in Dallas sicher wieder geschickt verstehen, aus Tätern Opfer zu machen und die eigentlichen Opfer, wegen denen ursprünglich zu der Demonstration aufgerufen worden war, völiig in Vergessenheit geraten.

So verhalten sich allerdings auch die Medien, wenn vielleicht auch ungewollt, rassistisch, denn die Tötungen der beiden Schwarzen durch Polizisten erschienen wenn überhaupt bei den meisten Blättern nur unter „ferner liefen“, während der Angriff auf die Polizei mit bislang fünf erschossenen Beamten die gesamte Weltpresse mit allem, was sie hat, auf den Plan ruft – und sogar in Rundfunk und Fernsehen in den Nachrichtenblöcken an erster Stelle rückt. – Nicht die Opfer der Polizei werden beklagt, sondern es sind die Polizisten, die die Aufmerksamkeit und das Bedauern der Berichterstatter berühren.

Testosteron-Schübe

Es sei eine „sehr natürliche Reaktion“, dass die Demonstranten die Polizisten in einer solchen Situation als „Besatzer“ sähen, sagte der ehemalige Vize-Polizeichef von Los Angeles, Stephen Downing. Das kann zur Folge haben, dass die Demonstranten aggressiver vorgehen, als sie es sonst getan hätten. Und auch die Polizisten treten Downing zufolge anders auf, denn allein schon das Tragen der militärischen Montur könne bei den „Ordnungshütern“ zu einem regelrechten Testosteron-Schub führen.

Die Nationalgarde, die eigentlich die militärische Reserve der US-Streitkräfte ist, bei Polizeiaufgaben zur Hilfe zu rufen, erweist sich zumeist als wenig hilfreich um „Ruhe und Ordnung“ wiederherzustellen und den Verdacht, überproportional viele Polisisten und Nationalgardisten seien rassistisch, kann die Vorgehensweise beider „Ordnungseinheiten“ gerade wegen ihrer Vorgehensweise gegen Demonstrationen farbiger Bürger in keiner Weise entkräften. – Die USA sind ein absolut freies Land, und man kann in den USA sein, was und wie man will – Hauptsache ist allerdings, man ist ein wenig „weißer“ als andere! Damit ist man wenigstens auf der „sicheren Seite“.

von

Günter Schwarz – 08.07.2016