Zu Storchs DFB-Elf Tweet – Erregungs-Muster der AfD
Und täglich empört sich die AfD erneut und wenn es nur um Banalitäten geht. Sogar daraus, dass Deutschland aus der Fußball-EM ausgeschieden ist, verstehen es die Rechtspopulisten, Kapital zu schlagen und haben sogleich einen eklat-reifen Spruch parat. Insofern ist Beatrix von Storchs Tweet zur Nationalmannschaft schon längst nicht mehr wie nur ein Fehltritt zu werten.
„Man wird ja wohl noch sagen dürfen …“
Die Idee dahinter ist sehr simpel, denn irgendjemand haut eine provokante Äußerung hinaus, wartet auf die Empörungswelle – und schiebt dann hinterher, dass alles doch ganz harmlos gemeint gewesen sei und man, wie immer, missverstanden oder noch besser von der „Lügenpresse“ falsch wiedergegeben oder interpretiert worden sei.
So hat es jetzt Beatrix von Storch wieder durchgeführt. Wie Sh-UgeAvisen berichtete, schrieb die AfD-Politikerin nach der Niederlage Deutschlands auf Twitter: „Vielleicht sollte nächstes mal dann wieder die deutsche NATIONALMANNSCHAFT spielen?“
Die Aufregung war vorprogammiert!
Natürlich wurde der Satz von den meisten als Anspielung auf die deutschen Spieler mit Migrationshintergrund verstanden. Schon im Vorfeld der EM war AfD-Vize Alexander Gauland mit mehreren Sprüchen in diese Richtung aufgefallen.

Die Botschaft war raus, erzielte die gewünschte Wirkung und wurde von Frau von Storch schnell wieder gelöscht. Stattdessen schob sie Folgendes hinterher:

Die AfD weiß nur allzu gut, wie Öffentlichkeit heutzutage funktioniert. Erst regen sich die Nutzer in den sozialen Netzwerken auf, dann, wenn Aufregung herrscht, berichten auch die Medien darüber, und so nutzt jede Erwähnung und jede Aufmerksamkeit der Partei. Die Reaktionen sind von vornherein vorhersehbar, denn die Fehltritte sind gut kalkuliert und wohl durchdacht.
Alles also mal wieder falsch verstanden. Von Storch will mit ihrer Kritik nicht die Zusammensetzung des Teams, sondern die Bezeichnung „Die Mannschaft“ gemeint haben. Die Medien, so die Politikerin, unterstelltem einem aber schon „rassistische Hetze“, nur weil man „Nationalmannschaft“ sage. Das ist Wasser auf den Mühlen eines jeden „Man-wird-ja-wohl-noch-sagen-dürfen“-Bürgers, in dessen Weltbild jedes schwarz-rot-goldene Fähnchen als Rassismus fehlinterpretiert wird.
Der Nachbar Boateng
Öffentlich kommentieren wollten die meisten AfD-Politiker den Tweet zwar lieber nicht. Eigentlich wollte die Partei das Thema Fußball meiden, nachdem Gauland erst im Mai mit dem Satz „Die Leute wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben“ eine glatte Bauchlandung gemacht hatte. Aber auch da wieder war dasselbe Spiel zu erkenne, erst behauptete Gauland, die Worte seien ihm quasi in den Mund gelegt worden. Schließlich gab er zu, dass der Satz so gefallen sein könnte, und dann gab er der Presse trotzdem die Schuld, weil die „ansonsten richtigen Aussagen“ erst durch die Überschrift „Gauland beleidigt Boateng“ in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ den „Dreh ins fremdenfeindliche und rassistische“ bekommen hätten, so Gauland.
Zwar hatte die Boateng-Äußerung auch parteiintern für Wirbel gesorgt. Doch selbst wenn fremdenfeindliche Aussagen relativiert oder von Parteikollegen öffentlich gerügt werden, sind sie in der Welt und nutzen der AfD. Mit Begriffen wie „entartet“, „Volksverräter“ oder „Flüchtlingstsunami“ ködert die Partei die Wütenden und Frustrierten vom rechten Rand. Der Thüringer Landeschef Björn Höcke beherrscht die klassische Schrittfolge der AfD perfekt: Erst provozieren, dann relativieren. – Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück.
Die kurioseste Episode in diesem Zusammenhang steuerte wieder Beatrix von Storch bei. Frauke Petry hatte mit ihrer Forderung nach Waffeneinsatz gegen Flüchtlinge bereits für die nötige Aufmerksamkeit gesorgt – natürlich fühlte auch sie sich seizens der Medien „völlig sinnentstellt“ wiedergegeben, und da setzte von Storch mit einem fatalen Weiterdreh noch einen drauf. Als sie auf Facebook gefragt wurde, ob sie auch den Grenzübertritt von Frauen und Kindern mit Waffengewalt verhindern wolle, antwortete sie mit einem knappen „Ja“. Dumm nur, dass diese Aussage nun wirklich unmissverständlich war und auch keinem Journalisten in die Schuhe geschoben werden konnte. Die AfD-Politikerin rechtfertigte sich später mit einem „technischen Fehler“ indem sie diesen entschuldigte, sie sei mit der Hand auf der Computermaus „ausgerutscht“.
Flüchtlingskrise als Tsunami
Eine kleine Auswahl weiterer Aussagen von AfD-Politikern:
• „Eine deutsche oder eine englische Fußballnationalmannschaft sind schon lange nicht mehr deutsch oder englisch im klassischen Sinne.“ (Alexander Gauland am 3. Juni im „Spiegel“)
• „Wir müssen die Grenzen dichtmachen und dann die grausamen Bilder aushalten. Wir können uns nicht von Kinderaugen erpressen lassen.“(Gauland am 24. Februar im Magazin der „Zeit“ über Flüchtlinge)
• „Das ist ungefähr so, als würden Sie mit Plastikeimern einen Tsunami stoppen wollen.“ (Der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen am 24. Oktober 2015 bei einem Landesparteitag in Baden-Württemberg über die Maßnahmen der Bundesregierung zur Bewältigung der Flüchtlingskrise.)
• „Im 21. Jahrhundert trifft der lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp auf den selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp.“ (Der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke am 21. November 2015 in einem Vortrag über Asylbewerber aus Afrika)
von
Günter Schwarz – 09.07.2016