Italien hat derzeitig ein Riesen-Problem: seine Banken. Ihnen fehlen Milliarden. Wie können diese Lücken gefüllt werden? Das Problem hat nicht nur die älteste Bank der Welt, die Traditionsbank Monte dei Paschi. Italiens Bankenproblem könnte für die EU schlimmere Ausmaße als der Brexit annehmen.

Die Kapitallücke im italienischen Bankensektor ist gewaltig. Berenberg taxiert sie auf 45 Milliarden Euro. Italiens Banken sitzen nach Jahren der Rezession auf einem Berg fauler Kredite. In den Bilanzen der Kreditinstitute türmen sich Problemdarlehen von 360 Milliarden Euro.

Daa Problematische daran ist das vor allem, weil diesebKredite noch dazu falsch bilanziert sind. Laut der Berenberg Bank liegt der Marktwert der Not leidenden Kredite bestenfalls bei 18 bis 20 Prozent – doch in den Bankbilanzen stehen sie mit 41 Prozent.

Lösung nicht in Sicht

„Italien könnte eine größere Bedrohung für die Stabilität der Euro-Zone sein als der Brexit“, analysiert Andrew Edwards, Chef von ETX Capital. Der kriselnde Bankensektor könnte alle Bemühungen der EZB, den Euro zu retten, zunichte machen.

Für den Abbau der faulen Kredite fehlt den meisten Geldhäusern das nötige Kapital. Sie müssten die Papiere mit deutlichen Verlusten verkaufen und hohe Abschreibungen vornehmen.

Wie die Milliardenlücke zu füllen ist, weiß so schnell niemand zu beantworten oder wie die Politiker sagen: „ Man kann sich auf keine Antwort einigen.“ Derzeit streiten Rom und Brüssel, wie man den Sektor stabilisieren kann. Eine Annäherung ist nicht in Sicht, und demzufolge reagieren die Märkte umso nervöser.

Blauer Brief von der EZB

Ausgerechnet die Traditionsbank Monte dei Paschi di Siena (MPS) hat es am schlimmsten getroffen. Seit der Finanzkrise hat sich das 1472 gegründete Geldhaus, das als die älteste Bank der Welt gilt, nicht wirklich erholt – trotz mehrerer Kapitalerhöhungen und zweier Rettungsaktionen durch den Staat.

Die schwierige Lage hat auch die Europäische Zentralbank (EZB) alarmiert. Sie schrieb an die MPS eine Art Blauen Brief, in dem sie die Bank auffordert. dringend ihre faulen Kredite abzubauen. Die Forderung lautet, bis 2018 sollen sie auf 32,6 Milliarden Euro von derzeit 46,9 Milliarden zurückgeführt werden.
Bank-Aktien im freien Fall

Der Aktienkurs der Traditionsbank stürzte daraufhin auf ein Rekordtief und riss die Kurse weiterer italienischer Banken nach unten. Gestern ging der Kursverfall weiter, das Papier von Monte dei Paschi war zeitweise sogar vom Handel ausgesetzt.

Die Aktien der Bank haben in diesem Jahr schon rund 70 Prozent an Wert verloren. Aber auch die Anteilsscheine anderer Institute leiden seit Monaten unter dem Misstrauen der Anleger. Nach dem Votum in Großbritannien über einen EU-Austritt und den anschließenden Kurssturz an den Börsen nahmen die Sorgen weiter zu. Die Aktienkurse italienischer Institute sind seit Jahresbeginn schon um mehr als die Hälfte eingebrochen.

Öffentliche Rettung?

Eine privatwirtschaftliche Lösung der Bankenkrise zeichnet sich nicht ab. Zwar gründete auch Italiens Finanzwirtschaft einen Hilfsfonds. Doch es sieht so aus, als reiche er bei weitem nicht. Staatliche Hilfen wären dringend erforderlich, und Italien will seinen Banken wenn möglich direkt mit frischem Kapital versrogen. Doch das Dilemma ist, die EU erlaubt dies nur dann, wenn der Steuerzahler nicht allein dafür aufkommt, wenn auch Eigentümer und Gläubiger der Banken – also zum Beispiel auch Anleihe-Besitzter – an der Hilfe beteiligt werden. Sie müssten für acht Prozent der Verpflichtungen aufkommen.

Das wiederum kann sich Premier Renzi derzeit nicht leisten. Er braucht den Rückhalt in der Bevölkerung für ein wichtiges Referendum, das bis Ende Oktober stattfinden soll. Dabei geht es zwar nur um Innenpolitisches, denn Renzi will die Macht des italienischen Senats beschneiden. Doch hat er mit dem Ausgang des Referendums sein politisches Schicksal verknüpft und angekündigt, er würde im Falle einer Niederlage zurücktreten.

Ein Abgang Renzis könnte als Folge für noch größere Turbulenzen sorgen. Es wäre rin großes politisches Risiko für Europa, denn die Euro-Skeptiker in Italien würden dadurch Oberwasser bekommen.
Brüssel hat zumindest zunächst einmal staatliche Liquiditäts-Garantien in Höhe von 150 Milliarden Euro erlaubt, befristet bis Ende des Jahres. Das Problem ist nur, das Geld darf nur für solvente Institute eingesetzt werden. Den strauchelnden Banken hilft das somit nicht.

EZB-Direktor: Banken-Hilfe ist fundamental

Vielleicht kommt Hilfe von der EZB? Ein hochrangiger Vertreter der Europäischen Zentralbank hat sich klar für öffentliche Unterstützung im Bankensektor ausgesprochen. EZB-Direktor Ignazio Angeloni sagte, es gebe zwischen dem Wettbewerb und der Stabilität im Bankenwesen einen Zielkonflikt. Die Praxis zeigt, neue Richtlinien zwischen EU und Bankenaufsicht seien dringend notwendig.

von

Günter Schwarz – 12.07.2016