Der türkische Präsident Erdoğan entwickelt sich im Eiltempo zu einem islamischen Despoten. Sein Einfluss greift bis tief in die deutsche Politik – und nicht erst seit der Armenien-Erklärung des Deutschen Bundestages dient ihm dazu eine irreale Blut- und Boden-Ideologie, die erschreckende Parallelen zum nationalsozialistischen Denkmodell aufweist.

Fast ein Drittel aller in Deutschland lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln sind – um in der Sprache deutscher Linker zu sprechen – rechtsextremistische Faschisten. Warum? In einer jüngst vom Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid durchgeführten Erhebung erklärten über 32 Prozent der Türkdeutschen unumwunden, dass für sie das islamische Scharia-Recht über dem Deutschen Grundgesetz und deutscher Gesetzgebung stehe.

Das Scharia-Recht, welches auch die ausschließliche Grundlage jener vorgeblichen „Kairoer Menschenrechtsdeklaration“ der islamischen Staaten darstellt, ist ein klassisches Gottesrecht. Wie die Zehn Gebote des mosaischen Buches gelten die Gesetze der Scharia für den Muslim als unveränderlicher, göttlicher Wille. Was, das sei nur am Rande bemerkt, dann eben auch jenen vorgeblichen Gesetzgeber Allah als einen Gott der inhumanen Strafe und Rache beschreiben lässt: Ein bösartiger Patriarch, dem nichts gilt als seine eigene Uneinsichtigkeit einer egozentrischen Hybris.

32 Prozent der in Deutschland lebenden Türkischstämmigen also setzen nun dieses göttliche Strafgericht der arabischen Spätantike über die Gesetzgebung der Gegenwart. Sie dokumentieren damit ihre feste Verankerung in jenen Dogmen des Islam, in die sie hinein geboren und hinein erzogen wurden. Sie haben sich das Diktat ihrer Eltern und ihrer elterlichen Kultur uneingeschränkt zueigen gemacht. Und so liegt es auch auf der Hand, dass diese 32 Prozent uneingeschränkt jenem wie der islamische Gott auftretenden Recep Tayyip Erdoğan anhängen, dessen fundamental-islamische Prägung ihn zu einem rächenden, undemokratischen Patriarchen mutieren ließ.

Anti-Demokratisches im Handgepäck

Der unüberwindbare Widerspruch zwischen den türkischstämmigen „Faschisten“ und der deutschen Mehrheitsgesellschaft besteht seit Anbeginn der Übersiedlung von Anatoliern in die damals noch kleine Bundesrepublik. Die Politik der bundesdeutschen Republik begrüßte die Arbeitskräfte und vernachlässigte deren demokratische Bildung. Geschuldet ist dieses auch der seinerzeit weit verbreiteten Annahme, die Anatolier würden nach getaner Arbeit wieder in ihre Heimat zurückkehren. Doch die allermeisten blieben – und mit ihnen blieb das anti-demokratische Gedankengut, das sie einst in ihrem islamischen Handgepäck mitgebracht hatten.

Offen zum Ausbruch kam diese Unfähigkeit der 32 Prozent, die Gesellschaft, in der sie leben, zu begreifen und begreifen zu wollen, als nun der Deutsche Bundestag in einer Resolution zum Völkermord den selbigen, der zwischen 1915 und 1920 von der jungtürkischen Regierung an den osmanischen Bürgern christlich-armenischer Herkunft begangen wurde, explizit als ebensolchen bezeichnete.

Der Armenien-Genozid offenbart türkische Irrationalität

Der Patriarch in Ankara tobte – und mit ihm jene 32 Prozent der nicht in Deutschland angekommenen, anatolisch-deutschen Muslime. Denn in der Türkei ist der Massenmord an armenischen Männern, Frauen und Kindern mehr als nur ein brisantes Thema – es fällt als Tabu unter jene Sakrilegien, an denen niemals gerührt werden darf. Und so startete die Türkei konsequent eine anti-deutsche Kampagne, zog ihren Botschafter ab und drohte sogar mit Sanktionen – wohl wissend, dass der brüchige Wirtschaftsaufschwung der Türkei vom Handel mit dem wichtigsten Partner Deutschland abhängt – und nicht umgekehrt Deutschland abhängig von der Türkei ist.

Nur die Unfähigkeit zur Sühne?

Geht es tatsächlich nur um die Leugnung der Tatsache, dass im Ersten Weltkrieg staatlich organisiert Hunderttausende, vielleicht Millionen Osmanen armenischer Ethnie und christlichen Glaubens vorsätzlich zu Tode gebracht wurden? Geht es wie bei den Deutschen mit dem von ihnen organisierten Holocaust um einen historisch einzigartigen Akt der Unmenschlichkeit, den sich die Türken anders als die Deutschen nicht eingestehen können, eingestehen wollen?

Geht es darum, sich nicht vorstellen zu können, dass eine ehrliche Entschuldigung für die Verbrechen der Großväter den Weg öffnen könnte zu einer neuen Verständigung zwischen einstmals gegnerischen Völkern? Scheinbar ist es so. Doch tatsächlich liegt die Ursache viel tiefer – und sie zeigt auf, warum die Deutschen zur Sühne fähig waren und es die Türken nicht sind. Sie zeigt auf, warum es nicht nur in Deutschland jene 32 Prozent der Türkischstämmigen gibt, die das inhumane, archaische Gottesrecht der Scharia über das staatliche Recht stellen.

Kemalisten und Anti-Kemalisten eint die gleiche Phantasie

Das Eingeständnis der Vernichtung der Armenier durch die jungtürkische Führung und ihre willigen Helfer wäre gleichbedeutend mit dem Zwang zur sachlichen Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Ursachen und Gründen der Vernichtung eines christlichen Volkes, welches – wenn man der türkischen Legende der Eroberung des byzantinischen Anatoliens durch turkmenische Stämme Glauben schenkt – als frühere Eigentümer der Region einen deutlich größeren Anspruch auf das Land Türkei geltend machen könnte als die Nationaltürken selbst. Womit wir bei einem zweiten Punkt sind, der ein türkisches Eingeständnis niemals ermöglichen kann.

Die Nationaltürken sowohl um Erdogans AKP wie um die kemalistische CHP leben von der Legende, dass die heutigen Besiedler Anatoliens die Nachfahren einer aus den kaukasischen Steppen eingefallenen, turkmenischen Herrenrasse seien. Diese Identität prägt das Gefühl einer ethnischen Überlegenheit gegenüber jenen Völkern und Stämmen, die bereits dort siedelten, als die Turkmenen unter dem Banner des expandierenden Islam das christliche Reich von Konstantinopel überrannten und Schritt für Schritt die christlichen Gemeinden Anatoliens zwangsislamisierten.

Ob Armenier, Griechen, Aramäer, Assyrer oder Kurden – all jene Völker, die schon ewig in der Region zwischen Schwarzem Meer und Syrischer Steppe, zwischen Ägäis und Kaspischem Meer gesiedelt hatten, wurden in den Augen der turkmenischen Herrenmenschen zu unterworfenen Völkern zweiter Klasse. Aus dieser gefühlten Überlegenheit heraus, die nicht nur offen bekennende Extremisten wie die türkischen „Grauen Wölfe“ prägt, leitet die Türkei ihr uneingeschränktes Recht ab, jene nicht-türkischen Völker unter ihren Willen zwingen zu dürfen. Schon im Osmanischen Reich sind ethno-religiös begründete Vernichtungsfeldzüge gegen nicht-türkische Volksgruppen dokumentiert und keine Seltenheit. Nicht nur Ezidi und aramäische Syrer, selbst islamische Kurden und arabische Stämme erfreuten sich mehr oder weniger regelmäßig brutaler Strafexpeditionen durch die türkischen Kolonialherren.

von

Günter Schwarz – 12.07.2016