Tengelmann-Übernahme gestoppt
Rückschlag für Gabriel und Edeka – Gericht stoppt Ministererlaubnis
Eine Ohrfeige erteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf dem Bundeswirtschaftsminister Gabriel für seine Ministererlaubnis der Übernahme der Supermarktkette Tengelmann durch Edeka. Der Erste Kartellsenat bewertete die Ausnahmegenehmigung von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am Dienstag in einer vorläufigen Prüfung im Eilverfahren als rechtswidrig.
Nach Einschätzung von Experten kann sich durch das Vollzugsverbot der geplante Zusammenschluss um Jahre verzögern. Damit droht den Plänen möglicherweise das Aus.
Geheime Gespräche
Nach Auffassung der Richter hätte Gabriel über die Erteilung der Erlaubnis nicht entscheiden dürfen – er habe sich in dem Verfahren befangen und nicht neutral verhalten.
Der Minister habe in der entscheidenden Phase des Erlaubnisverfahrens mit Edeka und Kaiser’s Tengelmann geheime Gespräche geführt, betonte der Senat. Gleich zweimal habe es im Dezember 2015 „Sechs-Augen-Gespräche“ zwischen Gabriel, dem Edeka-Chef Markus Mosa und dem Kaiser’s-Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub gegeben.
Gericht zweifelte an Gabriels Argumenten
Außerdem stelle der Erhalt der Arbeitnehmerrechte bei Kaiser’s Tengelmann keinen sogenannten Gemeinwohlbelang dar, der die Ministererlaubnis rechtfertigen könne, bemängelten die Richter.
Auch Gabriels Argumentation, dass durch seine Vorgaben die Sicherung von rund 16.000 Arbeitsplätzen gewährleistet werde, stieß bei den Richtern auf Zweifel. So sei der Ministererlaubnis nicht zu entnehmen, ob die Möglichkeit eines fusionsbedingten Stellenabbaus bei Edeka in die Entscheidung eingeflossen sei.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Der Senat ließ zwar keine Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof zu. Doch bleibt den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde.
Gabriel reagiert verwundert
Dazu erklärte das Wirtschaftsministerium am Dienstag in Berlin: „Die vom Gericht behauptete Befangenheit wurde von keinem Verfahrensbeteiligten zu keinem Zeitpunkt vorgetragen.“
Wie in solchen Verfahren üblich, habe Gabriel auch Gespräche mit den Antragstellern geführt. Dies sei „üblich, möglich und zulässig“. Das Ministerium prüft nun das Urteil und will dann entscheiden, ob es juristisch dagegen vorgeht.
Ministerium: Keine Bevorzugung von Edeka
Der Edeka-Konkurrent Rewe sei – anders als vom Gericht behauptet – im Verfahren nicht schlechter behandelt worden. Ein Gegenangebot von Rewe, das die Richter unter Verweis auf den Erhalt fast aller Arbeitsplätze bei Kaiser’s Tengelmann anführen, sei geprüft worden: „Dieses Angebot von Rewe stellte gegenüber dem Angebot von Edeka allerdings aus kartellrechtlichen Gründen keine Alternative dar.“
Nicht nachvollziehbar sei zudem, betonte das Ministerium, dass Arbeitsnehmerrechte vom Gericht nicht als Gemeinwohlgrund angesehen würden: „Denn es geht hier um die Existenz von vielen tausenden Beschäftigten und deren Familien, die eine Berücksichtigung in solchen Verfahren erforderlich machen.“
Rewe begrüßt das Urteil
Der Konkurrent Rewe begrüßte die Entscheidung. Edeka und Kaiser’s Tengelmann hätten bei dem Fusionsvorhaben von Anfang an auf einen Weg der Konfrontation mit Wettbewerbshütern und Gewerkschaften gesetzt und eine Ministererlaubnis erzwingen wollen.
„Dass diese in Form und Inhalt zweifelhafte Ministererlaubnis nun nicht vollzogen werden kann, ist eine logische Folge dieser Brachialstrategie“, sagte ein Rewe-Sprecher. Das Eilverfahren war von Rewe und der Handelskette Markant beantragt worden.
Bei Tengelmann sorgte die Entscheidung für „große Bestürzung“, wie Konzernchef Karl-Erivan Haub mitteilen ließ. Ziel der Unternehmensgruppe sei es immer gewesen, die Supermarktkette „als Ganzes abzugeben und damit den größten Teil der Arbeitsplätze zu erhalten“. Haub hatte mehrfach damit gedroht, bei einer Einzelabwicklung könnten tausende Jobs verloren gehen.
Kartellamt-Verbot ausgehebelt
Gabriel hatte Deutschlands größtem Lebensmittelhändler Edeka im März unter massiven Auflagen grünes Licht für den umstrittenen Zusammenschluss gegeben. Edeka musste im Gegenzug den Erhalt von knapp 16 000 Jobs bei Kaiser’s Tengelmann für mindestens sieben Jahre garantieren.
Mit seiner Sondergenehmigung hebelte Gabriel ein Verbot des Bundeskartellamts aus. Die Wettbewerbshüter fürchteten, dass durch den Zusammenschluss der Wettbewerb im deutschen Lebensmittelhandel weiter eingeschränkte werden könnte. Edeka, Rewe, die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) und Aldi beherrschen zusammen 85 Prozent des Markts.
von
Günter Schwarz – 13.07.2016