US-Warnung an Erdogan: Nato-Mitglieder müssen Demokratie achten
Der US-Außenminister Kerry konnte nicht umhin, die Türkei darauf hingewiesen, dass ein Land nur Nato-Mitglied sein könne, wenn es Demokratie und Rechtsstaatlichkeit achte. Allerdings will Washington diese Aussage (noch) nicht als direkte Drohung des Ausschlusses aus dem Bündnis verstanden wissen. Zu den Aktivitäten der Generäle in Verbundung mit dem Putsch äußerte sich Kerry nicht.
Die Nato wird nach Angaben von US-Außenminister John Kerry die weitere Entwicklung der Demokratie in der Türkei nach dem gescheiterten Putsch aufmerksam beobachten. „Es gibt offensichtliche Anforderungen der Nato bei der Achtung der Demokratie“, sagte Kerry am Montag in Brüssel. „Die Nato wird sehr sorgfältig bewerten, was (in der Türkei) passiert.“ Man werde konstruktiv zusammenarbeiten, um Rückschritte in der demokratischen Entwicklung zu vermeiden. Die türkische Seite habe ihm mehrfach versichert, dass sie die rechtstaatlichen und demokratischen Prinzipien achten wolle. Die türkische Zeitung „Daily Sabah“ berichtet, dass die „Washington Post“ einen Bericht korrigiert habe, nachdem die US-Botschaft in Ankara der Türkei versicherte, dass die USA die Nato-Mitgliedschaft nicht in Frage stellt. Die „Sabah“ zitiert einen Sprecher der Botschaft mit den Worten, dass die Mitgliedschaft der Türkei zu keinem Augenblick in Frage gestellt würde.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg mahnt die Türkei zur Einhaltung gemeinsamer Werte der Militärallianz. Es sei unerlässlich, dass die Türkei als Mitglied des Bündnisses die Demokratie und deren Institutionen ebenso sicherstelle wie die verfassungsgemäße Ordnung, die Herrschaft des Rechts und die Grundfreiheiten. Stoltenberg hat mit Erdogan telefoniert, wie die Nachrichtenagentur Reuters meldet.
Der US Botschafter in der Türkei, John Bass, weist jeden Verdacht zurück, die USA hätten bei dem gescheiterten Putschversuch ihre Finger mit im Spiel gehabt. Solche Medienberichte oder öffentlichen Außerungen von türkischen Politikern seien „kategorisch falsch“ und schadeten den Beziehungen der beiden Nato-Mitglieder, erklärt Bass auf der Internetseite der Botschaft. Zuvor hatte bereits Kerry solche Spekulationen vehement zurückgewiesen.
Der ehemalige Luftwaffenchef Akin Öztürk hat der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge gestanden, den Putsch geplant zu haben. Öztürk soll dieses gegenüber der Staatsanwaltschaft eingeräumt haben. Die Nato kommentierte die Aktivitäten der Militärs, die in den Putsch verwickelt sein sollen, nicht. Das türkische Fernsehen zeigte am Montag Videos von Generälen und Soldaten, die nach ihrer Verhaftung von der Polizei registriert wurden.
In der Türkei sind nach dem gescheiterten Putsch vom Wochenende inzweischen Tausende Angehörige von Armee, Justiz, Verwaltung und Polizei ihrer Posten enthoben worden – derzeit spricht man von mindestens 13.000 Personen. Zudem erwägt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Wiedereinführung der Todesstrafe, wie er bereits mehrfach öffentlich bekundete und sich dabei sozusagen als „Alibifunktion“ dabei darauf berief, er würde nur „den Willen des Volkes“ respektieren und sich dem anschließen.
Nach dem Ende des Kalten Krieges hat die Nato 1995 bestimmte Voraussetzungen für Länder festgelegt, die dem Militärbündnis beitreten wollen. Dazu gehören unter anderem eine funktionierende Demokratie mit einer Überwachung des Militärs durch zivile Strukturen, die faire Behandlung von Minderheiten und der Anspruch, Konflikte friedlich zu lösen. Im Nato-Vertrag von 1949 berufen sich die Gründungsmitglieder allgemein auf die Grundsätze der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts. Mögliche Konsequenzen, was bei Nichtbeachtung dieser Werte geschieht, werden jedoch nicht genannt.
Nach dem Nato-Beitritt der Türkei 1952 hat die Armee in dem strategisch wichtigen Land bereits mehrmals gegen die demokratisch gewählte Regierung geputscht, ohne dass dieses unmittelbare Auswirkungen auf die Mitgliedschaft in der Allianz gehabt hätte.
Auch in Griechenland putschte 1967 das Militär und errichtete bis 1974 eine Militärdiktatur. Der Putsch blieb folgenlos für die Mitgliedschaft des Landes in der Allianz.
von
Günter Schwarz – 19.07.2016