Die türkischen Behörden haben die „rechte Hand“ des US-türkischen Geistlichen Fethullah Gülen festgenommen, dem Präsident Recep Tayyip Erdogan vorwirft, der Drahtzieher des gescheiterten Putschversuch gewesen zu sein, gab ein Sprecher des Präsidenten gestern offiziell bekannt.

Gülens „Schlüssel-Adjutant“, Halis Hanci, kam zwei Tage vor dem Putschversuch in die Türkei, sagte der Sprecher und bezichtigte ihn, die rechte Hand Gülens zu sein.

Am frühen Samstagmorgen wurde Muhammet Sait Gülen, Fettulah Gülens Neffe, auf Anordnung des Generalstaatsanwalts von Ankara festgenommen. Er ist der erste von Gülens nahen Verwandten, der in der aktuellen Razzia festgenommen wurde, obwohl auch schon andere Mitglieder aus der Familie des in Pennsylvania lebenden Predigers zuvor in Haft genommen wurden.

Die verhafteten Putschisten „haben zu ,beichten‘ begonnen“, sagte Erdogan einem französischen Nachrichtensender in einem Interview am Samstag und betonte, dass nach den Aussagen der Putschisten, die „Anweisungen aus Pennsylvania kamen“.

„Sie haben sogar versucht, den Stabschef der Armee auf ihre Seite zu bekommen, die als Geisel festgehalten und aufgefordert wurde, mit Gülen direkt zu sprechen“, sagte Erdogan dem Nachrichtenkanal „France-24“.

Ähnliche Informationen wurden von der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur „Anadolu“ gemeldet, die besagten, dass diejenigen, die während des Putschversuchs den Chef des Generalstabs als Geisel nahmen. verlangten, dass er mit Gülen sprechen sollte.

Erdogan beschuldigt Gülen, den im Exil in den USA lebenden türkischen Geistlichen, von Anfang an als Drahtzieher an dem gescheiterten Putsch in der vergangenen Woche beteilig gewesen zu sein. Unter diesem Vorwurf wurde auch dessen Neffe, Muhammet Sait Gülen, am Samstag von der türkischen Polizei verhaftet.

Die Türkei hat wiederholt die USA und Präsident Obama persönlich aufgefordert, dass die USA Gülen ausliefern soll, und er hat angekündigt, es wird innerhalb der nächstenTage ein offizielles Auslieferungsersuchen eingereicht werden, dem auch Beweise an Gülens Schuld beigefügt sein werden.

Gülen hat die ganze Zeit über jede Verstrickung in den Putsch bestritten und hat ihn sogar verurteilt. Er behauptete darüberhinaus, dass seine Anhänger ihm folgen und das tun, was er sagt. Gülen vermutet, Erdogan selbst hat den Putsch „unter falscher Flagge“ inszeniert, um diese Provokation zu seinem eigenen Vorteil zu nutzen und seine Macht zu erweitern.

Erdogan und Gülen waren einst Verbündete und gute Freunde. So wurde Erdogan mit Gülens nicht unmaßgeblicher Hilfe 2003 zum türkischen Premierminister gewählt und konnte beginnen, die potenzielle Bedrohung von säkularen Kräften im Land zu neutralisieren und die Anhänger der Kleriker zu fördern.

Allerdings wurde Gülen zu Erdogans Feind in den Jahren 2013 und 2014, nachdem belastende Gespräche zwischen ihm und Erdogan durchsickerten, und auch Erdogan und seine Familie wegen „steuerliche Ungereimtheiten“ ins Visier der Steuerbehörden und Justiz gerieten.

Inzwischen rechtfertigt Erdogan vehement die Verhängung des Ausnahmezustands in der Türkei, die am Mittwoch in Kraft trat und die er damit begründete, dass sie nötig sei, um die Demohratie im Sinne des Volkes in der Türkei zu stärken.

„Alles ist auf dem richtigen Weg und der Ausnahmezustand ist einfach nur zum Zwecke da, das gesunde Funktionieren unserer demokratischen Institutionen sicherzustellen. Unsere öffentlichen Einrichtungen müssen reibungslos funktionieren“, sagte er und fügte hinzu, dass  „mein Volk nicht die geringste Sorge haben sollte“.

„Wir werden mit unseren Operationen gegen diese Separatisten weitermachen. Wir müssen unsere Institutionen von diesem Krebs befreien“, fügte er zugleich hinzu und weist dabei auf die Gülen-Anhänger hin.

Ebenfalls am Samstag unterzeichnete Erdogan ein Dekret zur Schließung von 1043 Privatschulen, die Aufhebung von 1.229 Stiftungen und Verbände, 35 medizinische Einrichtungen, 19 Gewerkschaften und 15 Universitäten, die mit Gülen in Verbindung gebracht werden, oder die angeblich direkt von Gülens populärer Hizmet Bewegung betrieben werden. Dieses war das erste Dekret, das Erdogan nach der Ausrufung des Ausnahmezustandes erließ.

Mehr als 10.000 Menschen in der Türkei wurden verhaftet, da ihnen eine Kooperation und Mitschuld  an dem gescheiterten Übernahmeversuch des Militärs am 15. Juli unterstellt wird, bei dem mindestens 265 Menschen getötet wurden. Die meisten der Gefangenen und Verhafteten sind Angehörige der Streitkräfte, viele aber sind auch Richter, Staatanwälte und Beamte aus allen öffentlichen Diensten. Mehr als 37.500 Polizeibeamte und Beamte wurden vom Dienst suspendiert, und mehr als 21.000 Lehrern wurde ihre Unterrichtserlaubnis entzogen.

Der türkische Ausnahmezustand setzt die Europäischen Menschenrechtskonvention zumindest zeitlich begrenzt außer Kraft, bestätigte der stellvertretende Premierminister Nurettin Canikli. Auch kann Erdogan die „Notfall-Verordnung“ bei Bedarf leicht verlängern..

„Es gibt kein Hindernis in Bezug auf eine Verlängerung. Jetzt am Anfang wurde sie für drei Monate eingeführt, aber nach drei Monaten können wir sie für einen zweiten Zeitraum von drei Monaten verlängern „, sagte Nurettin Canikli.

von

Günter Schwarz – 24.07.2016