Ob Königin Margrethe als Türöffner für dänische Wirtschaftslobbyisten nun am 16. Und 17. Oktober zum Staatsbesuch in die Türkei fahren wird oder nicht, das steht noch nicht endgülrig fest. Schließlich ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht abzusehen, wie es im Oktober in der Türkei aussehen wird. Eine Absage an den Diktator in spe wäre jetzt ein gewagtes politisches Statement. Und ein solches vermeidet die Königin mit Rücksicht auf die gewählte Regierung – in diesem Fall das Außenministerium – konsequent.

Doch das Dilemma, in dem die Königin steckt, ist, wenn sie die Reise antritt, so wäre das  auch ein politisches Statement. Schließlich repräsentiert die Königin das Land und das Volk der Dänen.

Und welches Bild würde es von Dänemark abgeben, wenn einerseits Politiker aller Parteien die unfassbaren Entwicklungen in der Türkei anprangern und sich der Tross der dänischen Adels- und Wirtschaftselite zugleich mit den Verantwortlichen zum  Geschäftemachen verabredet?

Gerade jene, die sich sonst so sehr als „Moralapostel“ und die „Hüter der dänischen Werte“ aufspielen, argumentieren in der Debatte jetzt unverschämt  scheinheilig. Wenn etwa Søren Espersen behauptet, dass eine Absage eine Beleidigung „nicht nur Erdogans, sondern der gesamten türkischen Gesellschaft“ wäre, dann tut er geradezu so, als ob die gesamte türkische Gesellschaft hinter Erdogan stünde. Und das tut sie bei Weitem nicht. Sonst hätte der Mann es nicht nötig, Abertausende aus ihren Ämtern zu fegen, zu inhaftieren und zu schikanieren.

Ja, die Türkei ist für den Nato-Musterschüler Dänemark ein ganz wichtiger Partner im Nahen Osten.
Ja, die Reisen der Königin sind von großem imageträchtigem und volkswirtschaftlichem Interesse für Dänemark und die Dänen.

Ja, es ist erfordert auch ein Höchszmaß an diplomatischem Geschick, um mit diesem „zornigen Riesen“ als kleines Dänemark übereinzukommen. Doch wenn Dänemark keine Politik der Scheinheiligkeit betreiben will, dann müssen unmißverständlichee Signale an den türkischen Machthabet gesendet werden, um jenen, die dort für Demokratie, für Meinungsfreiheit, für Gleichberechtigung kämpfen, die Hoffnung und den Glauben an eine real existierende bessere Welt nicht zu nehmen. Das sind wir doch allen, die an die Freiheit glauben, schuldig, oder nicht?

Der ehren- und liebenswerten Königin darf diese Aufgabe aber nicht zugemutet werden, wenn zugleich gefordert wird, dass sie sich andernorts politisch zurückhält. Auch das wäre scheinheilig. Es ist die Aufgabe der dänischen Regierung, Erdogan klar und deutlich zu zeigen, dass Dänemark auf der Seite derer steht, die für Fortschritt und Demokratie kämpfen.

Die Königin steckt in einer nicht beneidenswerten Lage, die man auch als Zwickmühle bezeichnen könnte, denn wie sie sich auch entscheidet – es kann die verkehrte Entscheidung sein!

von

Günter Schwarz  – 25.07.2016