Der Skandal um Pferdefleisch statt Rindfleisch in Lasagne, Döner & Co. erschütterte im Frühjahr 2013 ganz Europa. Besserung sollte eine neue „EU-Kontrollverordnung“ bringen, auf die sich Kommission, das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten daraufhin geeinigt haben.

Um keine Freude bei den Verbrauchern aufkommen zu lassen, sorgen die neuen Vorschriften nicht etwa dafür, dass Behörden künftig bei Täuschung, Betrug oder ekelerregenden Zuständen mit ihrem Wissen unverzüglich an dieÖffentlichkeit gehen. Nein, sie dürfen das nicht einmal, sondern die Behörden müssen „fein säuberlich und beamtengerecht“ die sogenannten „geschäftlichen Interessen“ der Unternehmen berücksichtigen.

Der eigentliche Skandal im Frühjahr 2013 war, dass Verbraucherinnen und Verbraucher lange Zeit im Unklaren darüber gelassen wurden, in welchen Produkten Pferd statt Rind steckte, obwohl auch bei amtlichen Kontrollen Produkte aufgefallen waren. Die neue Lebensmittel-Kontrollverordnung ändert das keineswegs, sondern sieverschlimmert die Situation sogar noch.

Denn sie erlaubt Unternehmen erstmalig im europäischen Lebensmittelrecht, sich auf den Schutz von Geschäftsinteressen zu berufen und so behördliche Veröffentlichungen von Gesetzesverstößen zu verhindern. Explizit nimmt die Verordnung Bezug auf „geschäftliche Interessen“ (siehe Verordnungstext Artikel 7 Absatz 2 Ziffer b, S. 31).

Abwägung selbst bei Gesundheitsgefahren

Selbst bei potentiellen Gesundheitsgefahren müssen die Behörden künftig prüfen, wie groß das Risiko ist und ob „ein übergeordnetes öffentliches Interesse an der Verbreitung der Informationen besteht“. Bisher sind die Behörden zumindest bei Gesundheitsgefahren in jeden Fall dazu verpflichtet, die Öffentlichkeit zu informieren (Zucker: Heimliche Absprachen mit Coca-Cola aufgedeckt – Direktorin zurückgetreten).

In Zukunft jedoch dürften sich die Beamten, selbst wenn es um Gesundheitsgefahren geht, aus Sorge vor Klagen im Zweifel für eine Geheimhaltung entscheiden. Damit führt die neue Verordnung nicht zu mehr Lebensmittelsicherheit, sondern zu einem besseren Schutz für Betrüger. Von skandalösen Zuständen wird die Öffentlichkeit künftig oft gar nicht erst erfahren (»Galgenfrist«: EU-Kommission verlängert Glyphosat-Zulassung für 18 Monate).

Nachdem sich die EU-Kommission, das Europaparlament und die Mitgliedsstaaten im sogenannten „Trilog-Verfahren“ auf diesen Entwurf geeinigt haben, müssen nun noch das Europäische Parlament und der Agrarrat zustimmen. Dies wird voraussichtlich im Oktober 2016 geschehen. Grundlegende Änderungen sind dabei jedoch nicht zu erwarten (Gekaufte Forschung: Wissenschaft im Dienst der Konzerne).

„foodwatch“ fordert Information der Öffentlichkeit

Richtig wäre aus Sicht von „foodwatch“ gewesen, auf größtmögliche Transparenz zu setzen: Denn nur wenn Betrügereien und Gesundheitsrisiken öffentlich werden, wird die Lebensmittelwirtschaft wirklich gezwunge, alles zu tun, um lebensmittelrechtliche Vorgaben wirklich immer einzuhalten.

„foodwatch“ fordert, die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen grundsätzlich zu veröffentlichen, wie es Dänemark seit über zehn Jahren erfolgreich tut: Bei Restaurants und Lebensmittelgeschäften mit einem leicht verständlichen Smiley-Symbol direkt vor Ort. Das ließe sich auch auf nationaler Ebene regeln. Man muss es nur wollen – die Dänen machen es uns vor!

von

Günter Schwarz  – 26.07.2016