Zehn Kuriositäten des Türkei-Putsches – Setzte Gülen „Geister“ ein?
Die Lage in der Türkei bleibt angespannt. So ganz tTodernst ist der Umgang türkischer Medien mit dem gescheiterten Putschversuch dnnoch nicht mehr. Ein Webportal liefert einen Bericht über die Kuriositäten des Aufstandes.
Vieles wurde über den versuchten Militärputsch in der Türkei bereits geschrieben. So stellt es „Hurriyet Daily News“ fest und legt dann kräftig nach – mit den zehn kuriosesten Fakten zur Nacht des 15. Juli und den chaotischen Tagen, die daraufhin folgten.
Bürger informieren sich im Netz, wie sie Panzer stoppen können
„Hurriyet Daily News“ schaute sich die Google Trends dieser Nacht etwas genauer an. Die Suche „Wie man einen Panzer stoppt“ schnellte demnach geradezu in die Höhe. Einige Nutzer bastelten gar Animationsfilme, um zu zeigen, wie es geht.
Putschisten suchten Erdogans Hotel
Zu Beginn des Putsches befand sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in einem Urlaubsresort in Marmaris. Dem englischsprachigen türkischen Webportal zufolge wussten Aufständische, die ihn töten sollten, allerdings nicht so genau, wo sein Hotel ist. Angeblich fragten sie Passanten nach dem Weg. „Entschuldigung, wo ist das Grand Yazici Hotel?“
Gülen „versklavt“ seine Anhänger mit Magie
Der Drahtzieher des Putschversuches war für die türkische Regierung schnell ausgemacht: der einflussreiche islamische Prediger Fethullah Gülen. Definitiv überschätz hat den Einfluss dieses Mannes der Bürgermeister von Ankara, Melih Gökcek. Der behauptete, Gülen habe seine Anhänger mit der Hilfe von Geistern „versklavt“.
Gülen als Assistent früherer Putschisten
„Hurriyet Daily News“ verweist auf ein pikantes Detail in einem Buch des türkischen Journalisten Mehmet Barlas aus dem Jahr 2000. Darin heißt es, dass Gülen in den 1960er-Jahren als Funker für Oberst Talat Aydemir gearbeitet haben soll. Der war an zwei Putschversuchen beteiligt und wurde zum Tode verurteilt. Laut dem Webportal hat dieser Teil des Buches bis zum 15. Juli praktisch keine Aufmerksamkeit erregt.
„Verräter“, die nicht putschen
„Hurriyet Daily News“ erwähnt zudem die Opfer von „Scheinprozessen“ aus der türkischen Geschichte. Insbesondere ist von einem General und zwei Obersten die Rede, die im sogenannten Balyoz-Prozess zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Die Prozesse wurden laut dem Webportal von Gülen-Anhängern im Justizsystem vorangetrieben. Die vermeintlichen Staatsfeinde schlossen sich nun dem Putschversuch nicht an, sondern stellten sich gegen die Putschisten.
Geheime Nachrichten auf Dollarscheinen
Türkische Medien berichteten laut „Hurriyet Daily News“ über geheime Nachrichten, die Gülen-Anhänger mit Dollar-Scheinen verbreiten würden. Die regierungstreue Zeitung „Daily Zaman“ behauptete sogar, dass dabei auch Freimaurer-Symbole und Illuminati-Zeichen wie „das Auge der Vorsehung“ eine Rolle gespielt hätten. Diese Zeichen befinden sich – Gülenisten hin oder her – seit eh und jäh auf der Ein-Dollar-Note.
Warnungen ein Jahr verschleppt
Viele Anhänger Erdogans fragen sich: Wie konnte es sein, dass Gülen-Anhänger unbemerkt in den Rängen des Militärs aufsteigen konnten. „Hurriyet Daily News“ zitiert den ehemaligen Militär-Anwalt, Ahmet Zeki Ucok mit einer Erklärung. Der berichtet, dass Berater hochrangiger Militärs Warnungen unterschlagen haben – in einem Fall für ein gutes Jahr.
Bücherverbrennung
Laut „Hurriyet Daily News“ hat nach dem Putsch auch eine großangelegte Vernichtung von Büchern des Predigers Gülen begonnen. Es gab Berichte von Verbrennungen und Versuchen, seine Werke in Flüssen zu versenken. Das Webportal verweist zudem darauf, dass Gülens Geburtshaus angeblich in eine öffentliche Toilette umgebaut werden soll.
Zu wenig Stiefel für falsche Soldaten
Angeblich waren unter den Putschenden nicht nur echte Militärangehörige. „Hurriyet Daily News“ zufolge statteten Gülen-Anhänger in der Armee andere Gülenisten, die keine Militärangehörigen sind, mit Uniformen aus. Das Problem nur: Es gab angeblich nicht genug Armeestiefel. Die Behörden untersuchen nun offenbar Bilder von der Putschnacht – mit besonderem Augenmerk auf das Schuhwerk der Putschisten.
Der Ruf nach der Todesstrafe
Als letzte Kuriosität führt „Hurriyet Daily News“ den Ruf einiger Türken nach der Wiedereinführung der Todesstrafe auf und illustriert sie mit einem Clip aus dem Internet, der einen besonders aufbrausenden Erdogan-Anhänger zeigt. Der Mann schreit wild gestikulierend „idam“ (Todesstrafe) – drei Mal.
Dem Autor der Liste scheint bewusst zu sein, dass auch sein Artikel einer gewissen Kuriosität nicht entbehrt – angesichts der dramatischen Folgen des versuchten Aufstandes und der heftigen Reaktionen der Regierung darauf. „Die Ereignisse sind so groß, dass eine Reihe bemerkenswerter Details untergegangen sind“, schreibt er gleich zu Beginn seines Textes und versucht ihn so irgendwie einzuordnen. Vielleicht ist der Artikel vor allem der Versuch, der Situation in der Türkei, in der die gesellschaftliche Spaltung immer schneller voranschreitet, ein wenig die Schärfe zu nehmen.
Kurios ist aller möglicher Aufheiterungs- oder Entspannungsversuche zum Trotz allerdings auch, dass die Behauptung der Regierung, es handele sich um einen Putschversuch der Gülen-Bewegung an keiner Stelle infrage gestellt wird. Der Autor selbst spricht vage von einer Gruppe „gehirngewaschener Irrer“.
„Hurriyet Daily News“ gehört zur Dogan-Medien-Gruppe, der größten Mediengruppe in der Türkei, die nicht mit der regierenden AKP verbändelt ist. Die Gruppe gerät allerdings unter immer größeren Druck. Kritiker sprechen von zunehmender Tendenz zur Selbstzensur.
von
Günter Schwarz – 27.07.2016