Obama weiß, wie man einen Parteitag begeistert. Vor zwölf Jahren, als junger und weitgehend unbekannter Senatskandidat aus Illinois, wurde er über Nacht zum Hoffnungsträger seiner Partei. Auch nun setzen die Demokraten große Hoffnungen in Obamas Rede, die vor allem Sanders-Anhänger überzeugen soll.

Mit seiner Rede auf dem Parteitag in Boston im Jahr 2004 war Barack Obama über Nacht zum Hoffnungsträger der Demokraten geworden. Eindringlich warb er damals für einen neuen Ton im politischen Diskurs und begeisterte die Delegierten. Wenn er nun – zwölf Jahre später – wieder bei einem Parteitag ans Podium tritt, ist von diesem neuen Ton wenig zu spüren, wie Obama am Mittwoch selbst eingestand. Dennoch wolle er unverdrossen weiterkämpfen.

Obama: Ziele nicht erreicht

2004 hatte Obama als weitgehend unbekannter Kandidat für den Senatssitz von Illinois zu den Delegierten gesprochen, am späten Mittwochabend (Donnerstagmorgen MESZ) in Philadelphia wird in vielerlei Hinsicht ein anderer Mensch vor sie treten: Kampferprobt von bitter geführten Grabenkämpfen mit den Republikanern und auch ein bisschen enttäuscht über all das, was er nicht erreicht hat.

Er sei der erste, der eingestehe, dass er bei seiner Rede 2004 und bei seiner Präsidentschaftskandidatur 2008 die Hoffnung auf einen respektvolleren und rationaleren Umgang zwischen Politikern in Washington gehegt habe, sagte Obama in einem am Mittwoch ausgestrahlten Interview des Senders NBC. „Und das ist nicht passiert. Aber es hält mich nicht davon ab, es weiter zu versuchen.“

Trump droht Obamas Errungenschaften rückgängig zu machen

Obwohl Obama diesmal nicht selbst antritt, steht für ihn viel auf dem Spiel. Nimmt man den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump beim Wort, würde er so ziemlich alles, was Obama in den vergangenen Jahren erreicht hat, wieder rückgängig machen: von Maßnahmen gegen den Klimawandel über die Einwanderungspolitik bis hin zur außenpolitischen Annäherung an frühere Feinde.

Entsprechend kämpferisch dürfte denn auch seine Unterstützungsrede für seine frühere Rivalin um die Präsidentschaftskandidatur und spätere Außenministerin Hillary Clinton ausfallen. In dem Interview vom Mittwoch bekräftigte er noch einmal, welche Gefahr seiner Ansicht nach von Trump ausgehe. Ihm fehle „grundlegendes Wissen über die Welt“ und er habe kein Interesse daran gezeigt, etwas dazuzulernen. Die Demokraten sollten seine Chancen auf die Präsidentschaft ernst nehmen, alles sei in der Politik möglich, sagte der US-Präsident.

Michelle Obama hat Demokraten bereits begeistert

Am Montag hatte bereits First Lady Michelle Obama die demokratischen Delegierten auf dem Parteitag begeistert. Über Twitter und Facebook wurde ihr emotionaler Appell gegen Trump gefeiert, Forderungen nach ihrer eigenen Kandidatur bei der nächsten Wahl wurden laut. Auch der Präsident selbst sei lange wach geblieben, um seinen Worten noch den letzten Schliff zu verleihen, hieß es am Mittwoch aus dem Weißen Haus.

Obama dürfte dabei trotz aller Rückschläge in den vergangenen Jahren an die Botschaften von 2004 und 2008 anknüpfen, als er gegen die politische Spaltung und für ein Miteinander zwischen Schwarz und Weiß geworben hatte. „Der Präsident wird darüber sprechen, wer wir als Land sind, und dass wir geeint besser sind als gespalten, und dass wir gemeinsam besser sind als getrennt“, sagte sein Sprecher Eric Schultz.

Obama soll Sanders-Lager bekehren

Für Obama ist es eine der letzten Möglichkeiten seiner Amtszeit, vor einem großen Publikum seine eigenen Erfolge zu verteidigen – und diesmal wird er von den Demokraten sogar freudig begrüßt. Noch vor zwei Jahren, bei den Zwischenwahlen, hatte die Partei den unbeliebten Präsidenten gebeten, sich möglichst aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Seitdem legten seine Umfragewerte wieder etwas zu, vor allem ringen die Demokraten aber nach dem erbittert geführten Vorwahlkampf zwischen Clinton und Bernie Sanders darum, Einigkeit zu demonstrieren.

Die Parteiführung hofft, dass der Präsident auch das Sanders-Lager überzeugen kann, dass Clinton die richtige Frau für den Job ist. Aus dem Weißen Haus heißt es, Obama sei ein „Konvertit“, was seine Beziehung zu Clinton angeht. Nach einem ähnlich harten Vorwahlkampf gegen sie im Jahr 2008 habe er ihre Fähigkeiten erst richtig erlebt, als sie seine Außenministerin wurde. Nun muss er nur noch das Sanders-Lager bekehren.

von

Günter Schwarz – 28.07.2016