Seit dem Putschversuch geht die Türkei rigoros gegen Anhänger der Gülen-Bewegung vor. Dabei geraten nun auch in Deutschland lebende Anhänger ins Visier des selbstermächtigten türkischen „Großmoguls Erdogan“. Jetzt fordert die Regierung in Ankara die Auslieferung von Angehörigen und Anhängern der Gülen Bewegung auch von der Bundesrepublik Deutschland. Bundeskanzlerin Merkel äußerte sich dazu – ganz ihrer Natur entsprechend – zurückhaltend.

Außenminister Mevlüt Cavusolgu sprach nach Angaben des Fernsehsenders CNN Türk von „manchen Richtern und Staatsanwälten“ der Gülen-Bewegung, die sich derzeit in Deutschland aufhielten. „Auch ihre Auslieferung ist notwendig“, sagte Cavusoglu nach CNN Türk-Angaben. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich zurückhaltend zu den Auslieferungsanträgen aus dem NATO-Partnerland geäußert. Denn in der Türkei wird seit dem gescheiterten Putsch die Wiedereinführung der Todesstrafe diskutiert Präsident Recep Tayyip Erdogan hat angekündigt, die Wiedereinführung zu billigen, sollte das Parlament sie beschließen.

Intensive Prüfung

Hintergrund: Über Auslieferungsersuchen entscheidet allein die deutsche Justiz in Gestalt von Oberlandesgerichten (OLG). Die nehmen eine intensive Prüfung jedes Einzelfalls vor. Rechtliche Grundlage ist das Gesetz über Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG). Auf welche Betroffenen das zutrifft, ist eine komplexe und von vielen Faktoren abhängige Frage.

Nach dem Grundgesetz ist bereits die Auslieferung von deutschen Staatsbürgern grundsätzlich ausgeschlossen. Ausnahme: Es liegt innerhalb der EU ein europäischer Haftbefehl vor. Die Türkei ist nicht in der EU. Das heißt: Türkisch-stämmige Deutsche kommen bei dem Ansinnen der Türkei gar nicht in Betracht.

Gülen-Anhänger zu sein, ist nicht strafbar

Ist also eine Auslieferung von in Deutschland lebenden Türken grundsätzlich möglich, muss jeweils genau geprüft werden. Danach muss es sich um eine Straftat handeln, die sowohl in der Türkei als auch in Deutschland gleichermaßen unter Strafe steht. Allein Anhänger des in den USA lebenden türkischen Predigers Fethullah Gülen zu sein, ist hierzulande nicht strafbar. In Frage käme eine Straftat von Gewicht wie Landesverrat, Mord oder Totschlag. Ein solcher Tatvorwurf muss dann aber ganz konkret belegt werden.

Es darf sich außerdem nicht um politische Straftaten handeln. Schon hieran dürften die meisten Fälle scheitern. Weitere Hemmnisse: Es darf im Empfangsland keine Folter drohen. Außerdem ist rassische oder religiöse Motivation ausgeschlossen. Und schließlich darf keine menschenunwürdige Behandlung drohen und schon gar nicht die Todesstrafe. Noch hat die Türkei die Todesstrafe nicht wieder eingeführt. Aber es ist hierzulande sicher nicht verborgen geblieben, wie rüde und damit eventuell menschenunwürdig die Türkei mit den jüngst im eigenen Land Verhafteten umgegangen ist. Im Raum stehen sicher auch die Folterwürfe von Amnesty International. Zuletzt muss im Empfangsland ein fairer Prozess gewährleistet sein. Auch das wird die Justiz am Beispiel Türkei sorgfältig prüfen.

Zurückhaltend hat Bundeskanzlerin Angela Merkel auf das türkische Ansinnen reagiert und auf die deutsche Justiz und die rechtstaatlichen Verfahren verwiesen. Merkel weiß, die rechtlichen Hürden sind hoch. Dass eine deutsche Zurückhaltung das ohnehin erschütterte Verhältnis zur Türkei noch weiter belasten dürfte, nimmt sie dafür in Kauf.

von

Günter Schwarz – 28.07.2016