Die Unterstützer des türkischen Präsidenten Erdogan haben „kreative Strafen“ für die mutmaßlichen Täter und Anstifter des gescheiterten Putschversuchs vorgeschlagen, die an Geschmacklosigkeit und Menschverachtung kaum noch zu überbieten sind. Währenddessen hat die AKP-Regierung unter Führung des allmächtigen „Sultans“ Erdogan die „Säuberungen“ ausdehnt und Zehntausende verhaftet oder entlassen.

Während es Erdogan bisher nicht gelungen ist, die Auslieferung Fethullah Gülens, einem türkischen Geistlichen, zu erwirken, den die Behörden beschuldigen, den Putschversuch vom 15. Juli organisiert zu haben, beschlossen einige übereifrige Anhänger des türkischen Präsidenten Vergeltungsmaßnahmen auf eigene Rechnung durchzuführen.

Das Geburtshaus von Gülen im Dorf Korucuk soll in eine öffentliche Toilette umfunktioniert werden, berichtet die lokale Zeitung „Beyaz Gazete“. Die Toilette soll aus Materialien gebaut werden, die aus dem Haus stammen, in dem Gülen geboren wurde. In der Zeitung war zu lesen, dass die Dorfbewohner selbst bei den Behörden in der zentralen Provinz Erzurum angefragt hätten, um das ungewöhnliche Bauvorhaben zu realisieren.

Der lokale Journalist Latif Simsek Fall berichtete von dem Fall und kommentierte: „Ich dachte, es sei nur ein Scherz, [aber] dann rief ich den Bürgermeister von Erzurum, Mehmet Sekman an.“
Gülen, der als Erzfeind Erdogans präsentiert wird, obwohl er bis vor drei Jahren dessen Verbündeter war, lebt seit Jahren im Exil ist und bestreitet jegliche Verbindungen zu den Putschisten. Washington fordert „genügend Beweise“ um Gülen ausliefern zu können, was Ankara verärgert.

Gülens Bücher verbrannt

Es geriet nicht nur das Privateigentum Fethullah Gülens ins Fadenkreuz der öffentlichen Wut, sondern auch sein geistiges Eigentum. Bücher des Schriftstellers, Predigers und Denkers wurden von Einheimischen nach dem Putschversuch verbrannt. Das gab „The Independent“ unter Berufung auf lokale Berichte bekannt. Die Polizei entdeckte die Asche von etwa hundert Büchern des angeblichen Putsch-Vordenkers auf einer Deponie im türkischen Teil Zyperns, berichteten lokale Medien.

Allerdings spekuliert die Zeitung, dass Einheimische die Bücher aus Angst vor einer „Hexenjagt“ verbrannt haben könnten.

Verräter-Friedhof und keine Gebete für Putschisten

Die türkischen Behörden gründeten nach dem Putschversuch sogar einen „Verräter-Friedhof“, da Friedhöfe im ganzen Land sich weigerten, die Leichen von Putschisten zu bestatten. Der Istanbuler Oberbürgermeister Kadir Topbas teilte mit, dass er angeordnet hätte, Raum für die Bestattung der toten „Verräter“ zur Verfügung zu stellen, so dass „die Passanten diejenigen, die dort begraben sind, verfluchen können“.

Der Oberbürgermeister stellte auch klar, dass der Friedhof der Namenlosen kein geeigneter Ort für sie sei, da sie nicht zusammen mit religiösen Menschen begraben werden sollten:

„Ich glaube, dass sie nicht aus der Hölle gerettet werden. Aber wir müssen auch das Diesseits für sie unerträglich machen.“

Nur wenige Tage nach dem Putschversuch machte der Vorsitzende des Diyanet, dem Präsidium für Religionsangelegenheiten, deutlich, dass für die während des Putschversuches Getöteten keine Gottesdienste abgehalten werden würden. Sie verdienten keine „Vergebung und Gebete ihrer Glaubensbrüder“, wurde die Glaubensgemeinschaft vom Medienkanal „Bianet“ zitiert.

Den türkischen Beamten zufolge, wurden während des Aufstands gegen Präsident Erdogan 270 Menschen getötet, darunter 24 Putschisten.

Im Zuge der jüngsten Razzia schloss die Türkei am Mittwoch mehr als 130 Medienhäuser, darunter TV-Sender und Zeitungen. Der türkische Innenminister Efkana Ala gab vor kurzem an, dass mehr als 15.000 Menschen seit dem gescheiterten Putsch festgenommen wurden. Insgesamt wurden 8.113 offiziell verhaftet und warten auf ihren Prozess, während das Justizsystem selbst, unter anderem als Folge von Verhaftungen, im „Umbau“ ist. Es wurden über 45.000 Personen aus den Bereichen Armee, Justiz, Polizei und Medien sowie andere Beamte entlassen.

von

Günter Schwarz – 30.07.2016