Das Verbot einer Videobotschaft von Präsident Erdoğan in Köln hat ein politisches Nachspiel. Ankara hat den Gesandten der deutschen Botschaft einbestellt. „Man verbittet sich jegliche Kritik aus dem Ausland“, berichtet ZDF-Korrespondent Luc Walpot. Die Türkei sei gekränkt, weil Deutschland den Putsch nicht deutlich genug verurteilt habe.

Innerhalb der Türkei sei die verbale Aufrüstung nicht neu, erklärt ZDF-Korrespondent Walpot. „Neu ist, dass man diesen schrillen Ton jetzt auch im Ausland anlegt.“ Auch in den Beziehungen zu den USA gebe es erhebliche Verstimmungen. „Die Grundhaltung der Regierung und von Präsident Erdoğan ist: Man verbittet sich jegliche Kritik“, so Walpot weiter. „Man wirft Deutschland vor, den Putsch nicht deutlich genug verurteilt zu haben. Daher kommen die gekränkte Haltung und die verbale Aufrüstung.“

Türkei bestellt Gesandten der deutschen Botschaft ein

Der deutsche Botschafter in der Türkei, Martin Erdmann, ist im Urlaub. Daher hat das türkische Außenministerium den Gesandten der deutschen Botschaft in Ankara, Erdmanns Stellvertreter einbestellt.

Die türkische Regierung hatte scharfe Kritik daran geäußert, dass Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan sich am Sonntag nicht per Videoleinwand an die Demonstranten in Köln wenden durfte. Dies hatte am Samstag das Bundesverfassungsgericht entschieden.

      Gesandter

        Ein Gesandter ist ein ranghoher diplomatischer Mitarbeiter in einer Botschaft. Laut „Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen“ gehört er zu den sog. Missionschefs im diplomatischen Dienst. In Art. 14 des Übereinkommens heißt es:
        (1) Die Missionschefs sind in folgende drei Klassen eingeteilt:
        a) die Klasse der Botschafter oder Nuntien, die bei Staatsoberhäuptern beglaubigt sind, und sonstiger in gleichem Rang stehender Missionschefs;
        b) die Klasse der Gesandten, Minister und Internuntien, die bei Staatsoberhäuptern beglaubigt sind;
        c) die Klasse der Geschäftsträger, die bei Außenministern beglaubigt sind.
        (2) Abgesehen von Fragen der Rangfolge und der Etikette wird zwischen den Missionschefs kein Unterschied auf Grund ihrer Klasse gemacht.

Türkei: Verbot sei eine „Schande“ für die Demokratie

Das Verbot der Übertragung sei auf „widerrechtliche und unhöfliche Art“ erfolgt und eine „Schande“ für Demokratie und Recht, schrieb der türkische Justizminister Bekir Bozdag auf Twitter. Es sei von nun an inakzeptabel, wenn Deutschland gegenüber der Türkei die Begriffe Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte und Freiheit auch nur in den Mund nehme. Zudem warf der Justizminister Deutschland eine ungerechte Behandlung der hierzulande lebenden Türken vor. Deutschland sei für viele „ernste Diskriminierungen und Ungerechtigkeiten“ verantwortlich.

Zuvor hatte bereits auch der Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan das Verbot der Live-Zuschaltung türkischer Politiker scharf kritisiert. Das sei ein „inakzeptabler Zustand“, teilte Ibrahim Kalin nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu mit.

Auch der türkische Sportminister Akif Cagatay Kilic äußerte Kritik. Man sei mit mehreren Ministerien in Deutschland im Gespräch und erwarte eine „vernünftige Erklärung, warum das verweigert wurde“, sagte Kilic auf Türkisch in Köln. Der Minister betonte, es sei wichtig, „dass wir zusammenhalten (…) und dass wir unsere Einheit nach außen zeigen“.

Live-Übertragung von Gericht verboten

Die Veranstalter der Pro-Erdogan-Demonstration waren gerichtlich in einem Eilverfahren gegen das Verbot vorgegangen, dass türkische Politiker wie Erdoğan live zugeschaltet werden, scheiterten am Samstag aber vor dem Bundesverfassungsgericht.

Der türkische Sportminister Kalin teilte laut Anadolu weiter mit, man frage sich, was der „wahre Grund“ dafür sei, dass die deutschen Behörden eine Ansprache Erdoğans an seine Anhänger verhindere. Es sei weiterhin inakzeptabel, dass die deutschen Behörden Demonstrationen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zuließen, eine „Demokratie-Veranstaltung“ gegen den Putschversuch in der Türkei mit dem Hinweis auf die Sicherheitslage jedoch beargwöhnten, und zu verhindern versuchten.

Botschaft von Erdoğan wurde verlesen

Gut zwei Wochen nach dem vereitelten Putsch in der Türkei hatten am Sonntag Zehntausende in Köln friedlich ihre Unterstützung für Erdoğan demonstriert. Zugleich feierten sie die Niederschlagung des Umsturzversuchs. Nach Angaben der Polizei nahmen 30.000 bis 40.000 Menschen an der Kundgebung teil.

Der Kundgebungsplatz glich einem roten Meer aus türkischen Flaggen. Mit einer Schweigeminute gedachten die Teilnehmer der Opfer des Putschversuches in der Türkei sowie der Opfer der jüngsten Terroranschläge in Frankreich, Deutschland und der Türkei. Gegen Ende der Veranstaltung wurde eine Botschaft Erdoğans verlesen. In dieser lobte er, dass sich die türkische Bevölkerung den Putschisten mutig entgegengestellt habe. Er dankte auch den türkischen Bürgern, die in Deutschland auf die Straße gegangen seien. „Heute ist die Türkei stärker als sie je vor dem 15. Juli gewesen ist“, hieß es.

Vier Gegenveranstaltungen in Köln

In der Kölner Innenstadt gab es vier Gegenveranstaltungen zur Pro-Erdogan-Demonstration, zu denen aber weit weniger Menschen kamen als erwartet. Angespannt war die Lage zwischenzeitlich am Hauptbahnhof, wo sich etwa 300 Rechtsextremisten – darunter auch gewaltbereite Hooligans – versammelten. Ihnen standen etwa 200 linksgerichtete Demonstranten gegenüber. Starke Polizeikräfte hielten die beiden Lager auf Abstand.

Die Polizei löste die Rechten-Demo, die unter anderem von der Splitterpartei Pro NRW organisiert worden war, schließlich auf. Teilnehmer hätten gegen Auflagen verstoßen und seien stark alkoholisiert gewesen, erklärte die Polizeipräsident Jürgen Mathies. Ursprünglich wollten die Rechtsextremisten einen Aufmarsch machen, der am Ort der türkischen Kundgebung vorbeiführen sollte.

von

dpa – 01.08.2016