Waffenschein-Anträge steigen sprunghaft an
Köln, Würzburg, München, Ansbach zeigen Wirkung bei deutschen Bürgern. Die „Silvesterattacken“ in Köln, der Terroranschlag im Zug bei Würzburg, der Amoklauf im Olympia-Einkaufszentrum in München sowie der Bombenanschlag in der fränkischen Stadt Ansbach treiben die Bürger massenhaft in die Waffenläden. Die Zahl der „kleinen Waffenscheine“ ist verglichen mit dem Vorjahr um fast 50 Prozent gestiegen. Die Grünen halten diese Entwicklung für äußerst riskant.
Nach den Terroranschlägen und Amokläufen der vergangenen Wochen wächst in Deutschland die Verunsicherung in der Bevölkerung. Ein deutliches Indiz dafür ist die erheblich gestiegene Nachfrage nach dem „kleinen Waffenschein“ für Reizstoff- und Schreckschusswaffen. Die Anzahl derartiger Bescheinigungen stieg im ersten Halbjahr dieses Jahres um 49 Prozent.
„Mit Stand Juni 2016 waren 402.301 kleine Waffenscheine im Nationalen Waffenregister gespeichert“, teilte das Bundesinnenministerium auf Anfrage mit. Im ersten Halbjahr 2015 waren noch nur 269.899 derartige Dokumente registriert worden.
Scharfe Schusswaffen wurden dagegen nicht stärker nachgefragt. Die Zahl der Waffenbesitzkarten sank leicht auf 1,894 Millionen im ersten Halbjahr 2016. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 1,898 Millionen.
Die Grünen sehen diese Entwicklung kritisch
Den Trend zu Selbstverteidigungsmitteln bestätigen besonders Städte wie Köln und Leverkusen. Dort nahmen die Anträge auf „kleine Waffenscheine“ laut Angaben der Polizei sprunghaft zu. Von Januar bis einschließlich Juli beantragten 3273 Einwohner aus Köln und der Nachbarstadt Leverkusen den Schein. Im gesamten Jahr 2015 waren es gerade einmal 547 gewesen. Rund die Hälfte dieser Anträge war im Januar nach den Silvesterübergriffen auf der Domplatte eingegangen – derzeit sind es im Vergleich zum Vorjahr mehr als doppelt so viele pro Monat.
Der sogenannte „kleine Waffenschein“ war 2002 nach Amokläufen an den Schulen von Eching und Freising (Februar 2002) und Erfurt (April 2002) eingeführt worden. Er wird je nach Bundesland gegen eine Gebühr entweder von der Polizei oder den Ordnungs- oder Landratsämtern ausgestellt. Die Behörden sind angehalten, die die Zuverlässigkeit und Eignung der Antragsteller zu überprüfen.
Die innenpolitische Expertin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, sieht diese Entwicklung recht kritisch. Sie fordert Verschärfungen beim Erwerb von Waffenscheinen „Wir halten es für dringend geboten, dass auch für den Erwerb von Reizstoffwaffen die Vorlage des kleinen Waffenscheins notwendig wird“, sagte die frühere Polizistin. Bisher genügt ein Nachweis der Volljährigkeit – Kauf und Besitz der Waffen sind freigestellt. Nur derjenige, der sie mitführen will, benötigt dafür den „kleinen Waffenschein“.
Waffenhändler plädieren für persönliche Beratung
Zusätzlich verlangt Mihalic höhere Standards für die Deaktivierung von Dekorationswaffen: „Es ist seit Jahren bekannt, dass diese Waffen viel zu oft und viel zu leicht wieder zu schussfähigen Waffen umgerüstet werden können.“ Auch die Lagerung von Schusswaffen und Munition müsse gesetzlich wesentlich strenger geregelt und überwacht werden.
Der Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenhändler (VDB) lehnt dagegen ein schärferes Waffenrecht ab. Das werde die Sicherheit der Bürger keineswegs erhöhen. „Das Hauptproblem sind illegale Schusswaffen, die über Schwarzmärkte und das Darknet oft aus dem osteuropäischen Raum beschafft werden“, sagte VDB-Geschäftsführer Ingo Meinhard.
Nach seiner Beobachtung besorgen sich die Kunden seit den Pariser Anschlägen im November 2015 verstärkt Abwehrmittel zum eigenen Schutz: „Gekauft hat ein Querschnitt in der Bevölkerung, der vom einfachen Arbeiter bis hin zum Universitätsprofessor reicht.“
Sorge bereitet dem VDB der Vertrieb von Pfeffersprays über Supermärkte, Autobahnraststätten und Drogeriemärkte. „Auch Pfeffersprays sollten ausschließlich im Fachhandel verkauft werden, denn sie sind im Notwehrfall äußerst effektiv. Darum ist auch dafür eine persönliche Beratung unbedingt nötig“, sagte Meinhard.
von
Günter Schwarz – 01.08.2016