Gehen in Deutschland bald „Train-Marshals“ auf Streife?
Normalerweise sind nur wenige Wachmänner oder Sicherheitsbeamte in Deutschlands Zügen im Einsatz. Ändert sich das nach dem Attentat des erst 17-jährigen Täters in dem Regionalzug bei Würzburg vom Montagabend, dem 18. Juli? Die Forderungen danach sind trotz weiterer Anschläge in Deutschland wie in München und Ansbach noch nicht verklungen.
Die Standardbesetzung eines Regionalzuges der Firma „agilis Eisenbahngesellschaft“ sind ein Triebfahrzeugführer und in der Hälfte aller Züge ein Zugbegleiter. „Ob wir Sicherheitspersonal einsetzen, entscheiden wir nach Erfahrungswerten“, sagt Elke Berghäuser, die Sprecherin des Regensburger Unternehmens, das den Schienenverkehr in Oberfranken und entlang der Donau betreibt. Bei Großereignissen wie Fußballspielen oder Bierfesten seien Sicherheitsleute an Bord. Sonst eher nicht.
Das ist normal nicht nur in Bayern sondern überall in Deutschland. Anders als im Flugverkehr gibt es im Bahnverkehr keine Zugangs-, Waffen- oder Sprengstoffkontrollen. Das Sicherheitspersonal wird häufig nur im Streifendienst dort eingesetzt, wo wegen Großveranstaltungen oder erhöhter Kriminalität von einer Gefährdung ausgegangen wird. Der Anschlag in einer Regionalbahn bei Würzburg, bei dem am Montag fünf Menschen schwer verletzt wurden, hat die Debatte über die Sicherheit im öffentlichen Raum neu entfacht.
Am Abend kommt die Angst
Insbesondere die Deutsche Bahn, die neben den regionalen Anbietern wie agilis und vielen anderen den Großteil des deutschen Schienennetzes bedient, steht dabei im Fokus: „Die Bahn sollte darüber nachdenken, mehr Sicherheitskräfte einzusetzen, gegebenenfalls auch verdeckt“, sagte der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Notwendig sei ein Ausbau der Videoüberwachung in Bahnhöfen und Zügen und eine bessere Ausbildung des Zugpersonals. Denkbar sei auch der Einsatz von „Train-Marshals“ ähnlich der sogenannten Sky-Marshals, die als verdeckte Sicherheitskräfte in Passagierflugzeugen Terroranschläge verhindern sollen. Auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG fordert, auf gefährlichen Strecken in Zukunft zumindest zwei Zugbegleiter einzusetzen, auch zum Schutz der Schaffner gegen Übergriffe durch Fahrgäste.
Rund 3.700 Sicherheitskräfte sind momentan bundesweit in Zügen der Deutschen Bahn eingesetzt. Die arbeitet eng mit der Bundespolizei zusammen, in deren Zuständigkeit der „Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Bahnverkehrs“ fällt. Rund 5.000 Bundespolizisten kontrollieren in Deutschland das 34.000 Kilometer lange Streckennetz mit etwa 5.700 Bahnhöfen und Haltepunkten. „Umfragen zufolge ist das Sicherheitsempfinden der Fahrgäste mit weit über 90 Prozent sehr hoch“, sagt Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn. Am Abend fühlten sich aber immer noch viele Menschen zunehmend unsicher.
Niemand glaubt an 100 Prozent
Dass mit mehr Sicherheitskräften mehr Sicherheit gerade geschaffen werden könne, will Naumann nicht uneingeschränkt gelten lassen: „Das Problem ist ja, dass man nicht weiß, wo etwas passiert.“ Außerdem: Wenn im ersten Waggon eines Zuges ein Train-Marshal sitze, bekomme der nicht unbedingt mit, wenn im sechsten Waggon ein Attentäter einsteige. Tatsächlich sei in der Fläche die Zahl der Bundespolizisten ausgedünnt worden: „Wenn wir genug Sicherheitspersonal der Bundespolizei hätten, wäre das wunderbar.“ Auch die Videoüberwachung und Notrufknöpfe in allen Zügen hält er für wichtig.
Grundsätzlich seien die Sicherheitsmaßnahmen schon auf sehr hohem Niveau, die Sicherheitslage werde fortlaufend neu bewertet, heißt es von der Bundespolizei, wo man ebenso wie bei der Bahn die Forderung nach den „Train-Marshals“ nicht kommentiert. „Die Erkenntnisse aus der Tat in Würzburg werden in die ständige Überprüfung des Sicherheitskonzeptes einfließen“, heißt es in einer Mitteilung der Bahn. Ein Bahn-Sprecher dazu: „Bei täglich 40 000 Zugfahrten und über sieben Millionen Reisenden allein in Deutschland kann trotz aller Anstrengungen niemand verantwortungsvoll eine hundertprozentige Sicherheit im System Bahn garantieren.“
von
Günter Schwarz – 03.08.2016