»Wenn«
Ich entspringe einer Generation, die in der Schule noch Bücher benötigte, um sich Wissen anzueignen. Gepaart mit Lehrern, die wirklich Spaß daran hatten, uns zu unterrichten. Wer im Unterricht nicht aufpasste, wurde kurzerhand auf den Spielplatz geschickt, um dort eine Sandburg zu bauen, die im Anschluß der Unterrichtsstunde unter dem Hohn und Spott der ganzen Klasse vom Lehrer begutachtet wurde. Ich war nie besonders gut in Mathe – dafür hervorragend im Sandburgen bauen.
Unser Geschichtslehrer trieb uns dazu, Pfeilspitzen zu schnitzen, Figuren aus Blei zu gießen oder das Archiv der Zeitung nach Zeitungsartikeln zu durchforsten, um in einem Referat niederzulegen, wie die Stimmung in Deutschland beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges war – gemessen daran, wie Zeitungen darüber berichteten. Die Sandburgen, Archive, Bastelstunden oder Nachtwanderungen mit schwerem Gepäck trugen dazu bei, dass man Geschichte »verstand« und sich dann auch (ganz automatisch) viel mehr dafür interessierte.
Wenn man sich heute anschaut, wie viel frisch gebackene Abiturienten oder auch Politiker über unsere Geschichte wissen, dann wird es mir gruselig. Dabei halte ich mich noch nicht einmal für jemanden, der ganz besonders außerordentlich viel über Geschichte weiss – sondern einfach für jemanden, mit einer gesunden Allgemeinbildung.
Wie sehr so eine Allgemeinbildung dazu beitrüge, die Prozesse und das Verhalten in Osteuropa, den USA oder auch dem großmäuligen Säbelrasseln des türkischen Diktators »Allah, Panzer und Kanonen«, in einen historischen Kontext zu bringen, verliert sich in den Köpfen der jungen aufstrebenden Akademiker und Kommunalpolitiker. Die Geschichte hielte viele Beispiele bereit, wie man einem Putin, Kim Jong Un oder dem Irren vom Bosporus begegnen könnte…
Hierzu eine kleine Anekdote: Philip II von Mazedonien war der Vater von Alexander dem Großen. Sein Sohn sollte eines Tages die gesamte (bekannte) Welt erobern. Schon Philipp hatte diese Vision und begann mit der Unterwerfung aller Stadtstaaten des antiken Griechenland. Nun, fast alle. Sparta, an der südlichen Spitze des Landes galt als strenge militärische Gesellschaft und war für äußerste Brutalität auf dem Schlachtfeld berüchtigt und gefürchtet. Philipp wollte auch Sparta erobern und sandte im Jahre 346 v.Chr. einen Versuch der Einschüchterung in Form einer Nachricht an die Spartaner:
»Es wird empfohlen sich unverzüglich zu unterwerfen. Wenn es mir gelingt, meine Armee an Land zu bringen, werde ich eure Höfe zerstören, euer Volk töten und eure Stadt dem Erdboden gleichmachen!«
Sparta entsandte eine Nachricht zurück an König Philip. Sie enthielt nur ein Wort:
»Wenn.«
Philip hat nie versucht Sparta zu erobern.
von
Michael Schwarz – 3.08.2016