Dauerdruck auf die junge Frau
Das Leben kann schon verdammt hart sein. Aber dass jede zweite dänische Frau zwischen 18 und 24 Jahren psychische Probleme hat, ist schon erschreckend. Viele der jungen Frauen stellen hohe Anforderungen an sich selbst und setzen sich damit unnötig unter Druck: Sie wollen das perfekte Zeugnis, das perfekte Aussehen, die perfekt Arbeit, den perfekten Mann und die perfekte Familie.
Dabei ist das Leben nicht perfekt, sondern voller Höhen und Tiefen. Das wissen die jungen Frauen zwar auch, aber Männer stecken diese Tatsache anscheinend besser weg, während Frauen laut Ärztin Karin Garde rein biologisch eine höhere Verletzlichkeit und ein geringeres Selbstwertgefühl haben.
Aber nicht nur die Frauen selbst, sondern auch die gesellschaftliche Entwicklung sorgen für Dauerdruck. In der Wirtschaft zählt heute oft nur die Effizienz und auch die Mutter von Kleinkindern muss 110 Prozent geben. Zu Hause angekommen „muss“ die perfekte Mutter den neuen Gesundheits- und Schönheitsidealen der bunten Magazinwelt gerecht werden und ein Fitnessprogramm absolvieren, Dinkelbrötchen selbst backen und natürlich auf Augenhöhe mit den Kindern spielen – alles scheinbar zur gleichen, knapp bemessenen Zeit, sonst ist man keine gute Mutter.
Das ist natürlich auf die Spitze getrieben, aber man muss sich die Frage stellen, woher dieser Druck stammt. Wenn die jungen Frauen schon so früh psychische Probleme haben, müssen wir uns als Eltern fragen, ob auch wir Auslöser sind, indem wir entweder die perfekte Welt vorspielen oder gar Druck machen, damit die jungen Frauen ja keine Zukunftschancen verspielen. Damit tun wir unseren jungen Leuten scheinbar keinen Gefallen, im Gegenteil: Wir müssen, laut Karin Müller vom Sozialdienst für Syddanmark (Süddänemark), noch aufmerksamer das Befinden der jungen Mädchen verfolgen, um ihnen rechtzeitig helfen zu können.
Schließlich scheint auch das alte Familienmuster überlebt zu haben: Die Frau sorgt sich immer noch um Kinder und Haushalt, denn auch zu Hause ist es mancherorts noch ein langer Weg zur Gleichberechtigung. Der dänische Psychiatriefonds schlägt bessere Behandlungsmöglichkeiten vor, aber dadurch werden die Probleme der jungen Frauen nicht geringer. Zur Lösung gehört schon ein neues Gesellschafts- und Selbstbild der Frau – denn niemand sollte bereits so früh im Leben durch den Alltag „geknickt“ werden. Dazu ist das Leben einfach zu wertvoll.
von
Günter Schwarz – 06.08.2016