Schweiz schickt Transit-Eritreer zurück
Seit knapp drei Wochen strömen Flüchtlinge aus dem Süden Italiens an die Tessiner Grenze. «Sie wollen durch die Schweiz weiterreisen nach Deutschland, Belgien, Dänemark, in die Niederlande. „Dort haben sie eine Community“, sagt Roberto Bernasconi (65), Chef der Caritas in Como.
Hunderte Menschen bevölkern die Grünanlage am Bahnhof San Giovanni. „Alle sind fest entschlossen, über die Schweiz nach Nordeuropa zu gelangen“, erklärt Bernasconi.
Doch das Grenzwachtkorps schickt alle Flüchtlinge zurück nach Italien, die nur durch die Schweiz reisen und hier kein Asylgesuch stellen wollen. Allein in der vergangenen Woche haben die Grenzwächter über 1100 illegal eingereiste Menschen zurückgeschafft – so viele wie noch nie im laufenden Jahr. Nur knapp ein Fünftel von ihnen hatte ein Asylgesuch gestellt.
Die Zurückgewiesenen campieren unter freiem Himmel. Die meisten seien Eritreer, erklärt Bernasconi. „Sie sind blutjung, viele minderjährig. Mütter mit kleinen Kindern und auch Schwangere sind dabei.“
Ein Dach über dem Kopf würden die meisten ablehnen. „Die Flüchtlinge wollen am Bahnhof bleiben, und hoffen auf eine Gelegenheit weiterzukommen.“ Da die Kontrollen am Brenner verschärft wurden, hoffen sie auf die Route durch die Schweiz. „Einige versuchen es vier-, fünfmal“, sagt der Caritas-Chef. „Doch die Menschen haben keine Chance. Die Schweiz kontrolliert hermetisch ihre Grenze.“
Schlepper machen in Como anscheinend keine Geschäfte. „Die Flüchtlinge hier sind keine Syrer aus der Mittelschicht, die sich eine organisierte Flucht leisten können. Die Leute hier sind bettelarm“, erklärt Bernasconi.
Nicht einmal über die grüne Grenze schafften es die Flüchtlinge. Dort kontrollieren Schweizer Drohnen Wanderwege und Schmugglerpfade, jeder Verdächtige werde gestoppt. „Das weiß ich von Wanderern, die von Grenzbeamten angehalten wurden.“
Das Caritas-Team versucht zu helfen, wo es geht. „Wir haben eine Mensa eingerichtet, Duschen aufgestellt. Auch haben wir Zelte für die Notleidenden errichtet, besonders für die Familien.“ Roberto Bernasconi sieht keinen Anlass zu Optimismus: „Ich mache mir große Sorgen über das, was noch auf uns zukommt.“
Auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe beschäftigt sich mit der Situation. „In Italien bestehen nach wie vor grundsätzliche Probleme im Aufnahmesystem“, sagt Seraina Nufer, Juristin bei der Flüchtlingsorganisation. „Wir stehen in Kontakt mit Hilfswerken sowohl im Tessin als auch in Como.“ Zudem suche man das Gespräch mit den Schweizer Behörden, um eine möglichst humanitäre Lösung des Problems zu erreichen.
von
Günter Schwarz – 06.08.2016