Die Idee, dass ausländische Konzerne Deutschland vor internationalen Schiedsgerichten verklagen könnten, ist für viele Kritiker des Handelsabkommens TTIP eine Horrorvorstellung. Doch sie ist längst Realität. Der Energieversorger Vattenfall fordert Milliarden von Berlin und zerrt Deutschland in den USA vor ein Investitionsgericht wegen des Atomausstiegs.

Die in Washington eingereichte Klage des Energiekonzerns Vattenfall gegen den deutschen Atomausstieg hat die Bundesregierung bereits jetzt mehr als acht Millionen Euro gekostet. In einem Antwortschreiben auf eine Anfrage der Grünen geht das Bundeswirtschaftsministerium von weiteren Kosten in Millionenhöhe für das Verfahren vor einem internationalen Schiedsgericht aus, berichtete die „Neue Osnabrücker Zeitung“.

Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig schreibt demnach: „Die Bundesregierung rechnet damit, dass in diesem Jahr im Zusammenhang mit der Durchführung der mündlichen Verhandlung in Washington weitere Rechtsverteidigungskosten in der Größenordnung von rund 3,9 Millionen Euro anfallen werden.“ Für 2017 und 2018 plane die Bundesregierung weitere Kosten von jeweils 500.000 Euro. Die genaue Höhe sei aufgrund der Unwägbarkeiten des Verfahrens aber nicht abzusehen, heißt es.

Der schwedische Vattenfall-Konzern verlangt von Deutschland Schadenersatz in Höhe von 4,7 Milliarden Euro wegen des beschleunigten Atomausstiegs nach dem Atomunfall in Fukushima. Im Zuge des Ausstiegs wurden die Vattenfall-Kraftwerke Krümmel und Brunsbüttel abgeschaltet. Weil der Energiekonzern aus dem Ausland stammt, kann er Deutschland anders als die deutschen Energiekonzerne Eon, EnBW und RWE vor dem internationalen Schiedsgericht für Investitionsstreitigkeiten in der US-Hauptstadt verklagen.

Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, kritisiert sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch Vattenfall. Das schwedische Unternehmen wolle sich mit der Klage in Washington „die klammen Konzernkassen mit deutschem Steuergeld füllen“, sagte die Abgeordnete der „NOZ“. „Unabhängig davon, dass die Klage unglaublich dreist ist: Hätte Merkel den rot-grünen Atomausstieg von 2001 beibehalten, gäbe es sie nicht.“

von

Günter Schwarz – 08.08.2016