WikiLeaks stand einmal für mehr Transparenz in einer von Geheimnissen dominierten Welt. Doch diesen Ruf hat die Enthüllungsplattform längst verloren. Ehemalige Unterstützer wenden sich von der Seite ab – besonders wegen des Gründers, Julian Assange.

Julian Assange ist zurück im Rampenlicht. Am 22. Juli veröffentlichte seine Plattform WikiLeaks rund 20.000 interne E-Mails der US-Demokraten – und löste damit ein Beben in der amerikanischen Öffentlichkeit aus. Die Mails belegten, dass sich die Parteiführung im Vorwahlkampf der Demokraten nicht neutral verhalten, sondern einseitig Hillary Clinton unterstützt hatte. Parteichefin Debbie Wasserman Schultz trat daraufhin zurück – am Vorabend der Eröffnung des Parteitags der Demokraten. Auch drei weitere Mitglieder der Parteiführung verloren ihren Posten.

Für Assange waren die Rücktritte ein Erfolg. Schließlich liegt seine letzte Veröffentlichung, die ähnliche Konsequenzen nach sich zog, schon einige Zeit zurück. Um WikiLeaks, vor wenigen Jahren noch mit Preisen überhäuft und als Rettung des Journalismus gepriesen, war es in letzter Zeit still geworden. Die ganz großen Leaks fanden ohne Assanges Plattform statt.

Assange sieht Clinton als Problem

Stattdessen legte sich WikiLeaks zuletzt vor allem mit Clinton an. Assange ist nicht gerade ein Fan der ehemaligen US-Außenministerin – das zeigt schon ein Blick auf dem Twitter-Account von WikiLeaks. In Interviews machte er zudem deutlich, dass er die Präsidentschaftskandidatin als Problem ansieht. Die Veröffentlichung der Demokraten-Mails passt in dieses Bild.

Überhaupt nimmt Assange gern vor allem die USA und ihre Verbündeten ins Visier. Laut einer Auswertung der amerikanischen „Huffington Post“ beziehen sich 33 von 35 Dokumentenkategorien auf der Seite auf diese Gruppe und ihre Institutionen. WikiLeaks deshalb einfach als antiamerikanisch abzutun, greife jedoch zu kurz, heißt es in der Hacker-Szene: „Assange legt sich schlicht gern mit dem größten Gorilla im Gehege an – und das ist in der aktuellen Weltordnung nun einmal der Westen.“

„Er ist Wikileaks“

In der Hacker-Szene wird trotzdem beklagt, dass WikiLeaks sich verändert habe. Es gehe fast nur noch um die Person Assange und nicht mehr um die Inhalte, heißt es. „Er ist WikiLeaks“, so ein Szenekenner, der anonym bleiben möchte. Doch die enge Verknüpfung von Plattform und Gründer bringt für die Seite auch Probleme.

Assange verfolgt mit WikiLeaks heute vor allem seine eigenen Ziele. Als Chefredakteur bestimmt er, was wann veröffentlicht wird. Verwerflich ist das grundsätzlich nicht, doch dadurch hat sich WikiLeaks von ihrem Gründungsanspruch mittlerweile entfernt.

Ursprünglich sollte die Seite eine Plattform sein, auf der Whistleblower vollkommen anonym ihre Informationen der Öffentlichkeit zugänglich machen könnten. WikiLeaks sollte den klassischen Journalismus ergänzen, indem es den Lesern Originalinformationen zur Verfügung stellt – eine neutrale Plattform, nur den Informationen verpflichtet.

Damit ist es vorbei. „Wer heute noch bei WikiLeaks landet um etwas öffentlich zu machen, der verfolgt damit bestimmte Ziele. Mit einem moralischen Anspruch hat das meist nichts mehr zu tun“, sagt Daniel Domscheit-Berg, Ex-Mitarbeiter von WikiLeaks.

von

Günter Schwarz – 12.08.2016