Ein bekannter muslimischer Vertreter in Italien hat gefordert, dass Polygamie ein Bürgerrecht werden muss, ähnlich wie es bei gleichgeschlechtlichen Ehen der Fall ist, die das südeuropäische Land erst kürzlich erlaubt hat. Das katholisch geprägte Italien reagierte erwartungsgemäß über Parteigrenzen hinweg mit Empörung. Doch wirklich inhaltliche Argumente gegen konsensuelle Polygamie gibt es in der Debatte kaum.

„Es gibt für Italien keinen Grund polygame Ehen von mündigen Personen nicht zu akzeptieren“, schrieb Hamza Piccardo, Gründer der Union islamischer Gemeinden und Organisationen in Italien (UCOII), letzte Woche in einem umstrittenen Facebook Post.

Weiter betonte er:

„Wenn es eine Frage der Bürgerrechte ist, dann ist die Polygamie ein Bürgerrecht. Muslime stimmen homosexuellen Partnerschaften nicht zu und müssen dennoch ein System akzeptieren, das sie ermöglicht.“

Piccardos Äußerungen verursachten Aufruhr im erzkatholischen Italien, das im Bezug auf die gleichgeschlechtlichen Ehen immer noch gespalten ist.

„Jahrhunderte des Kampfes für Frauenrechte können nicht einfach bei Seite gewischt werden“, erklärte Debora Serracchiani, stellvertretende Leiterin der regierenden Demokratischen Partei (PD), der Tageszeitung Corriere della Sera. Mit mehreren Frauen verheiratet zu sein, „hat nichts mit Bürgerrechten zu tun“, fügte sie hinzu.

Der EU-Abgeordnete für die Lega Nord, Paolo Grimoldi, bemerkte: „Das ist der moderate Islam, mit dem die italienische Regierung im Dialog bleiben will.“

Auch der mailändische Bürgermeister, Giuseppe Sala, intervenierte auf die Kommentare des UCOII-Vertreters, da Piccardo ein Foto zweier frischvermählter homosexueller Männer mit dem Mailänder Bürgermeister verwendete, um seinen Post zu illustrieren.

„Piccardo sagte verrückte Dinge. Nicht nur, dass ich keine Nähe zu ihm habe, ich denke, dass seine Ansichten der islamischen Welt sehr viel Schaden zufügen“, gab Sala gegenüber Askanews an.

Der UCOII Gründer setzte dann die Debatte über seine Facebook-Seite fort:

„Eine einfache Betrachtung der Rechtsphilosophie hat eine derart groteske Gegenreaktion ausgelöst, dass es schon witzig ist.“

Er bekräftigte seinen Standpunkt, dass Polygamie ein Bürgerrecht und eine Frage der „Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz“:

„Unterschätzen Sie nicht die demografische Wirkung der Polygamie. Sie würde den Bevölkerungsrückgang und die daraus folgende Notwendigkeit ausländische Arbeitskräfte zu rekrutieren neu ausbalancieren.“

Auch im deutschsprachigem Netz hat die Forderung kontroverse Fragen aufgeworfen:

Im Mai stimmte das italienische Parlament trotz starkem Drucks der katholischen Kirche als letztes westeuropäisches Land zugunsten der Anerkennung von Lebenspartnerschaften Homosexueller und deren Ehen ohne Trauschein. Damit erhielten gleichgeschlechtliche Paare viele Rechte der Ehe, aber nicht das Recht, Kinder zu adoptieren.

von

Günter Schwarz – 15.08.2016