Das Bild eines kleinen syrischen Jungen geht um die Welt, nachdem er in letzter Minute aus einem völlig zerstörten Haus gerettet wurde. Das Foto steht aus Synonym für den Horror des Krieges und rechtfertigt die Massen von Flüchtlingen, die dem syrischen Bürgerkrieg entfliehen. Das Bild zementiert den Konsens, dass all jene, die nicht nach Europa gelangen können, den Tod ihrer Familien riskieren. Schon vor Monaten gab Kanzlerin Angela Merkel bekannt, all jenen Syrern Asyl zu gewähren, die die Grenze erreichen. Ein großer Teil Europas sperrt sich gegen diese Willkommenskultur.

Die Aufgabe, die Massen der Migranten zu absorbieren, verteilt sich im Wesentlichen auf Deutschland und Schweden – mit ein wenig Hilfe aus den Niederlanden und einigen anderen Ländern. Der politische Eifer, so viele Flüchtlinge wie möglich aufzunehmen, spaltet und zermürbt nun die Gesellschaft in Deutschland und Schweden. Nach den Ereignissen von Sylvester in Köln und anderen deutschen Städten wurde die Bereitschaft der Bevölkerung zu einer Willkommenskultur weitestgehend zu Grabe getragen.

In dieser Nacht machten Banden von jungen Männern, vor allem Asylbewerber, Jagd auf Frauen, bildeten Ringe um sie und beraubten und missbrauchten die verängstigten Frauen. Mehr als Tausend Frauen meldeten sich bei der Polizei. Nach Köln sehen die Europäer in den Flüchtlingen nicht mehr das Bild verfolgter Familien und Kleinkinder. Stattdessen sehen sie bedrohliche junge Männer, die Frauen in Europa weder Achtung noch Respekt entgegensetzen.

Solche Ängste sind, obwohl sie übertrieben sind, keinesfalls absurd. Die Ängste der Bevölkerung werden auch damit nicht relativiert, dass die Angreifer von Köln inzwischen identifiziert sind und es sich um Migranten marrokkanischer oder algerischer Abstammung handelte und nicht um Syrer. Es besteht tatsächlich eine kulturelle Kluft zwischen dem reichen, liberal-sekulärem Europa und den Ländern, aus denen die Neuzuwanderer kommen. Eine Pew-Umfrage von 2013 von Muslimen auf der ganzen Welt belegt, dass mehr als 90% der Tunesier und Marokkaner glauben, dass eine Frau immer ihrem Ehemann zu gehorchen habe. Nur 14% der irakischen Muslime glauben, dass es einer Frau erlaubt sein darf, eine Scheidung einzuleiten. Obwohl die arabischen Gesellschaften Sexualverbrechen hart bestrafen, müssen Frauen, die in Ägypten allein und spärlich bekleidet unterwegs sind, damit rechnen, von Männern massiv sexuell belästigt zu werden.

Es ist nicht wahrscheinlich, dass Migranten mehr Verbrechen als Einheimische begehen. Aber es wäre naiv, so zu tun, als gäbe es keine Spannungen zwischen den kulturellen Einstellungen der Neuankömmlinge und der Gastgeber. Europäische Frauen schätzen ihre Rechte zu tragen, was sie wollen, gehen, wohin sie wollen und ihre Sexpartner frei wählen zu können. Niemand sollte diese Freiheiten verletzen dürfen.

Unbeholfen wirkt dabei ein Versuch der »Pro Familia« einen Flirt-Workshop für Flüchtlinge in einem Jugendzentrum im oberbayrischen Eichstätt mit dem Titel »So ticken westliche Frauen« anzubieten (BR, 27.04.2016). Es sei unverantwortlich deutsche Frauen als »Beute« vorzustellen, aus denen sich muslimische Männer aus verschiedenen Kulturen eine aussuchen dürfen, lautet die Kritik. Der Wortlaut der Kritik an diesen Kursen ist in den sozialen Medien härter: »Steuerzahler müssen „Ficki,ficki“- Kurse für Asylforderer und Migranten finanzieren!«. In der Tat werden diese Kurse aus Steuergeldern finanziert. Berechtigt scheint also die Kritik, ob man Männern erst beibringen muss, sich gegenüber Frauen respektvoll zu verhalten? Dabei wäre es wichtiger, darauf zu bestehen, dass sich Migranten an Gesetze zu halten haben. Die Polizei ist an dieser Aufgabe eindeutig gescheitert. Die Kritik an der Polizei beschränkt sich dabei aber nicht nur auf die Ereignisse in Köln, sondern auch auf Einheimische. Seit Jahren schon beklagen Frauen, die deutsche Polizei würde zu langsam auf sexuelle Belästigung in den betrunkenen Massen des Münchner Oktoberfestes reagieren. Die Herausforderung ein solches Fehlverhalten richtig zu bekämpfen, wird wichtiger, wenn Massen von jungen Männern ins Land kommen, die aus kulturellen Gründen kein Fehlverhalten bei sich entdecken können.

Der moralische Imperativ den syrischen Flüchtlingen eine Oase zu bieten, ändert sich dadurch nicht. Die Hälfte der syrischen Städte liegen in Schutt und Asche. Hunderttausende von Menschen leiden in den belagerten Städten. Hunderttausende sind auf der Flucht vor Krieg und Gewalt. Deutschland hat also die moralische Verantwortung diesen Menschen Asyl zu bieten.

Gegenüber der einheimischen Bevölkerung hat die Politik allerdings ebenfalls die Aufgabe, Asylbewerber, die das Gesetz missachten, mit Gefängnis oder Abschiebung zu konfrontieren. Niemand kann zurück nach Syrien geschickt werden – Marokko und Algerien sind hingegen sicher genug für eine Abschiebung.

Der Prozess der Aufnahme von Flüchtlingen wird weder schnell noch einfach sein – allerdings ist es eine moralisch richtige Entscheidung, an der Europa letztlich profitieren kann. Im Idealfall würden sich mehr europäische Länder an dieser Aufgabe beteiligen, bevor das politische Klima innerhalb von Deutschland und Schweden die Regierungen dazu zwingt, auf ihre Politik des Mitleids zu verzichten. Diese Verantwortung liegt nicht nur allein bei den Regierungen oder Einheimischen. Gefordert sind auch die Neuankömmlinge. In Problem-Bezirken gibt es mehr junge alleinstehende Männer, die anfälliger für Gewalt sind, wenn sie keiner geregelten Arbeit nachgehen. Deswegen ist es unsinnig Ehegatten und andere Familienmitglieder nicht nachziehen zu lassen – wie es Dänemarks Regierung nun anstrebt. Dies schafft bei den jungen Männern noch mehr Frustration und motiviert nicht dazu, sich anzupassen. Die Bereitschaft eine Arbeit aufzunehmen ist bei jungen Männern aller Kulturen nachweislich höher, wenn sie damit ihre Familie versorgen müssen.

Willkommenskultur kann natürlich nur dann funktionieren, wenn sich die Neuankömmlinge an die grundlegenden europäischen Werte anpassen wollen. Solche Werte vermittelt man allerdings nicht in »Flirt-Kursen«.

von
Line Holm – 21.08.2016