Mogens Glistrup gründet die „Fremskridtspartiet“ (Fortschrittspartei) im „Graben“ in Københavns Tivoli.

Vom Ende des zweiten Weltkriegs 1945 bis Anfang der 70er Jahre zeichnete sich das dänische Parteiensystem vor allem durch Kontinuität, Stabilität und der Dominanz einiger weniger Parteien aus 5 . Die vier dominierenden Parteien – die Sozialdemokratische, die Sozialliberale, die Liberale und die Konservative Partei – konnten weitgehend in zwei Blöcke geteilt werden 6 : den sozialistischen Block und den nichtsozialistischen oder bürgerlichen Block. Bis zum Jahre 1973, in dem, im Zuge der „Erdrutsch“ (Jordskælv)-Parlamentswahlen fünf neue Parteien in das dänische Parlament (Folketinget) einzogen, galt das dänische Parteiensystem als ein Prototyp des seltenen „working multi-party system“ , eine der wenigen unproblematischen, stabilen und funktionierenden Parlamentssystemen, in denen allzu extremistische Strömungen im parteipolitischen Prozess keinen Platz finden.

Die traumatischen Erfahrungen der Wähler mit konservativen Regierungskoalitionen bezieht sich auf die Tatsache, dass die größte Expansion des dänischen Wohlfahrtsstaates 1968 bis 1971, in die Amtszeit bürgerlicher Regierungskoalitionen fiel.

Die Steuern stiegen in dieser Zeit schneller an als es jemals unter den Sozialdemokraten der Fall gewesen war. Weite Teile der bürgerlichen Wählerschicht fühlten sich deswegen enttäuscht – sie hatten sich eine andere Regierungspolitik, nicht eine bloße Wachablöse, vorgestellt. Die Parlamentswahlen 1971 brachten deswegen wiederum die Sozialdemokraten mit rund 70% der Wählerstimmen an die Macht. Bei den Wahlen 1973 hatte sich das politische Angebot aber erheblich geändert. Plötzlich gab es Alternativen zu den althergebrachten Parteien.

In der Talkshow „Focus“, die am 30. Jänner 1971 im dänischen Fernsehen ausgestrahlt wurde, lernte die Öffentlichkeit das erste Mal den bis dato unbekannten Steuerrechtsanwalt Mogens Glistrup kennen. Glistrup eröffnete das 114 Sekunden dauernde Interview mit der Feststellung, dass bei der Einkommensteuererklärung nur die Unfähigkeit zu betrügen besteuert wird.

Daraufhin gründete Mogens Glistrup am 22. August in Københavns Tivoli mit der „Fremskridtsparti“ eine Alternative zu den bisherigen dänischen Parteien, die nach der Wahl im Dezember 1973 zusammen mit vier weiteren Parteien neu ins Folketing einzog. Es waren die Kommunistische Partei Dänemarks, die Sozialistische Volkspartei, die Zentrumdemokraten, die Gerechtigkeitspartei und die „Fremskridtsparti“ unter Mogens Glistrup.

1995 ging die „Fremskridtsparti“ in die rechtspopulistische „Dansk Folkeparti“ (Dänische Volkspartei) auf, die nach der Wahl von 2015 die zweitstärkste Fraktion im Folketing stellt und die die Minderheits-Venstre-Regierung untere Lars Lokke Rasmussen stützt.

von

Günter Schwarz – 22.08.2016