Darf man beim Abspielen der Nationalhymne schunkeln oder herumalbern? Diskuswerfer Christoph Harting hatte das während der olympischen Siegerehrung in Rio de Janeiro getan – und damit überall im Land für Empörung und Diskussionen gesorgt, was ihm auf den sozialen Netzwerken geradezu einen „Shitstorm“ einbrachte.

Applaus erhielt dagegen die deutsche Hockey-Nationalmannschaft der Herren, denn als die Nationalhymne aufgrund einer technischen Panne nicht ertönte, sang die Mannschaft kurzerhand a cappella. Diskussionen rund um die Hymne gibt es immer wieder – auch immer dann, wenn einige Spieler der Fußball-Nationalmannschaft mitsingen, andere aber nicht. Am heutigen Freitag wird unsere deutsche Nationalhymne 175 Jahre alt. Das „Lied der Deutschen“, wie es damals hieß, schrieb der Dichter August Heinrich Hoffmann von Fallersleben am 26. August 1841 auf der Insel Helgoland.

Von Fallersleben wollte frei denken, frei mit anderen diskutieren – ohne die Angst vor Spitzeln, Polizei und Gefängnis. Das ging für den jungen Dichter am ehesten im Ausland. Helgoland war damals Ausland, es gehörte zu Großbritannien. In Deutschland, das damals ein „Flickenteppich“ von voneonander unabhängigen Königreichen, Fürstentümern, Herzogtümern und Grafschaften war, konnten die Menschen damals von Werten wie Freiheit oder Recht nur träumen. Genau das aber tat Hoffmann von Fallersleben. Ähnlich wie viele fortschrittliche Geister sehnte er die Überwindung von Willkür und Feudalherrschaft der zahllosen Fürsten herbei, und er wollte ein einiges, demokratisches Deutschland. Diese Träume diskutierte er auf Helgoland mit Gleichgesinnten. Auf einer Klippe der Nordseeinsel sitzend schrieb von Fallersleben das „Lied der Deutschen“ auf. Er unterlegte dem Text die Melodie des „Kaiserquartetts“ von Joseph Haydn.

Hoffmann von Fallersleben, der am 2. April 1798 in dem kleinen Ort Fallersleben bei Wolfsburg geboren wurde, sprach mit dem Text der Sehnsucht vieler Menschen in Deutschland aus dem Herzen. Sein Verleger Kampe kaufte ihm das dreistrophige Lied sofort ab. Er druckte mehrere Hundert Exemplare, die sofort vergriffen waren. Bei den Intellektuellen wurde von Fallersleben schnell ein Star, nicht aber bei vielen Fürsten. Die Idee von einem einheitlichen Deutschland machte sie überflüssig. Der Ruf nach Recht bedrohte ihr Feudalsystem, der Ruf nach Freiheit gefährdete ihre Macht. Nur ein Jahr nach dem Verfassen des Deutschlandliedes auf Helgoland wurde von Fallersleben kurzerhand und ohne weitere Bezüge seines Lehrstuhls an der Uni Breslau enthoben. Die Zensurbehörde warf ihm Verachtung und Hass gegen den Landesherrn und die Obrigkeit vor, und so wurde er in den 1840er-Jahren zum politisch verfolgten Asylanten.

Im Jahr 1922 bestimmte Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) das immer populärer gewordene Lied zur Nationalhymne der Weimarer Republik – mit allen drei Strophen.  Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde nur noch die erste Strophe gesungen, auf die das „Horst Wessel Lied“ folgte. Hatte von Fallersleben die Idee eines nach innen geeinten Deutschlands über alles gestellt, stellten die Nazis nun Deutschland nach außen über alle anderen. Das Lied selbst war durch die Nazis, deren Diktatur und den Krieg so negativ besetzt, dass es danach viele Menschen nicht mehr als Nationalhymne wollten. 1950 sagte unter anderem der damalige Bundespräsident Theodor Heuss, der Text sei zwar in seinem Ursprung ein Teil der deutschen Geschichte, aber „das ungeheure Schicksal, das die staatlichen Zusammenhänge zerschlug, schuf einen Geschichtseinschnitt, der mit dem alten Sinn- und Wortvorrat nicht mehr umfasst werden kann.“

Heuss gab deshalb ein neues Deutschlandlied in Auftrag, das sich aber beim Publikum nicht durchsetzte. Stattdessen führte ein anderer Spitzenpolitiker, Konrad Adenauer, bei einem Auftritt 1950 im Berliner Titania-Palast die dritte Strophe der alten Hymne wieder ein – und gab ihr neuen Sinn. „Wenn ich Sie nunmehr, meine Damen und Herren, bitte, die dritte Strophe des Deutschlandliedes zu singen, dann sei uns das ein heiliges Gelöbnis, dass wir ein einiges Volk, ein freies Volk und ein friedliches Volk sein wollen.“

Ganz offiziell Nationalhymne ist die dritte Strophe von Fallerslebens Deutschlandlied erst seit 1991. Das besiegelten Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundespräsident Richard von Weizsäcker in einem Briefwechsel: Die dritte Strophe des Hoffmann-Havdn’schen Liedes habe sich als Symbol bewährt und solle es bleiben. An den Dichter von Fallersleben erinnert auf Helgoland eine große Bronzebüste. Sie steht auf dem Unterland, unmittelbar am Anleger, an dem die Touristen ankommen.

August Heinrich Hoffmann, bekannt als Hoffmann von Fallersleben wurde am 2. April 1798 in Fallersleben, im damaligen Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg geboren .

Er war ein deutscher Hochschullehrer für Germanistik, der wesentlich zur Etablierung des Fachs als wissenschaftlicher Disziplin beitrug, Dichter sowie Sammler und Herausgeber alter Schriften aus verschiedenen Sprachen. Er schrieb die spätere deutsche Nationalhymne, das Lied der Deutschen, sowie zahlreiche populäre Kinderlieder. Zur Unterscheidung von anderen Trägern des häufigen Familiennamens Hoffmann nahm er als Zusatz den Herkunftsnamen von Fallersleben an.

Hoffmann von Fallersleben verstarb am 19. Januar 1874 in Corvey, in der ehemaligen Benediktinerabtei, die heute zur Stadt Höxter an der Weser gehört.

von

Günter Schwarz – 26.08.2016