Ewiggleiche Tribals, kitschige Tierporträts oder langweilige Sterne – solche Tätowierungen verbietet allenfalls der gute Geschmack. Es gibt aber auch Motive, die ihrem Träger richtig Ärger bereiten können, weil sie gegen die Verfassung verstoßen. Muss man sie wieder entfernen?

Kindernamen auf dem Unterarm, Koi-Zucht auf dem Rücken oder Pistolen auf dem Dekolleté – Tätowierungen sind längst nicht mehr Seefahrern oder Knastbrüdern vorbehalten. Rund 15 Prozent aller Bundesbürger sind tätowiert, wobei in der Altersgruppe zwischen 25 und 35 mehr als jeder Vierte Tinte unter der Haut trägt. Doch auch wenn Körperkunst inzwischen fast gesellschaftsfähig ist, kann sie den Trägern immer noch gewaltigen Ärger einbringen.

Dass Tattoos in sichtbaren Bereichen die Karrierechancen in „seriösen“ Branchen deutlich einschränken können, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Dabei kommt es natürlich immer darauf an, was der Arbeitgeber von den Tattoos überhaupt mitbekommt. Bunte Bilder auf dem Arm sind selbst in Banken oder Unternehmensberatungen kein Problem, solange man langärmlige Hemden trägt. Als Frau wird man sich kurzärmlige Sommerkleider allerdings auch an extrem heißen Sommertagen verkneifen müssen. Tattoos auf Hals oder Händen dürften in solchen Branchen schon bei der Einstellung zum Problem werden. Auch in Jobs mit hohen hygienischen Standards, etwa in der Krankenpflege, können sichtbare Tätowierungen ein Einstellungshindernis sein.

Vorm Verwaltungsgericht Darmstadt scheiterte 2014 die Klage einer Frau, die sich erfolglos bei der Bundespolizei beworben hatte. Die Richter entschieden, ihr großflächiges Unterarmtattoo könne zu einem Autoritätsverlust führen, und somit sei sie für den gehobenen Polizeivollzugsdienst nicht geeignet. Die Frau hatte übrigens „S’il te plaît … apprivoise-moi“ – übersetzt: „Bitte zähme mich“ – auf dem Unterarm verewigt, ein Zitat aus dem „Kleinen Prinzen“. Es hätten genauso gut ein Blumenmuster oder Totenköpfe sein können, für die Entscheidung zählte allein die Fläche des Tattoos. Mit kleineren Motiven wird man im öffentlichen Dienst aber nicht zwangsläufig Probleme bekommen.

Das Strafgesetzbuch als Richtschnur

Als Bademeister oder auf dem Bau spielen solche Auflagen natürlich kaum eine Rolle. Manche Tattoos können aber auch abseits des Berufs Ärger bringen. Dann nämlich, wenn das Motiv nicht gezeigt werden darf. Zwar darf jeder Mensch seinen Körper gestalten, wie er möchte. Das fällt unter das Persönlichkeitsrecht. Nur darf man eben nicht alles öffentlich präsentieren. Das Strafgesetzbuch verbietet in Paragraf 86 a die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, die auch in Tattoos abgebildet sein können. In Paragraf 130 ist zudem der Tatbestand der Volksverhetzung definiert, auch ihn können Tattoos erfüllen.

In aller Regel geht es um Motive aus dem rechtsextremen Umfeld, wenn sich die Justiz mit strafrechtlich relevanten Tätowierungen auseinandersetzt. Schlagzeilen machte im letzten Jahr der Fall eines NPD-Mitglieds aus Brandenburg. Der damals 27-Jährige war in einem Schwimmbad aufgefallen, weil er auf dem Rücken die Umrisse eines Konzentrationslagers sowie den in Frakturschrift gesetzten Satz „Jedem das Seine“ trug. Dafür wurde er vom Amtsgericht Oranienburg zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. 2010 schickte das Amtsgericht Bochum einen 19-Jährigen für eineinhalb Jahre in Jugendhaft, nachdem er mit einem großen Hakenkreuz plus „Doppel-Siegrune“ auf dem Unterarm durch die Stadt spaziert war.

Und wie sieht es mit linker Symbolik aus? Träger des RAF-Logos haben normalerweise nichts zu befürchten, es handelt sich nicht um ein eindeutig verfassungsfeindliches Symbol. Ein A.C.A.B.-Schriftzug auf dem Unterarm könnte dann kritisch werden, wenn man ihn beispielsweise gezielt einer Gruppe von Polizisten entgegenstreckt. Grundsätzlich verboten ist die auch bei Hooligans beliebte Parole „All cops are bastards“ aber nicht.

Verbotenes muss verborgen werden

Der Tätowierer, der seinen Kunden auf deren Wunsch hin Hakenkreuze, Hitler-Porträts oder verfassungsfeindliche Symbole in die Haut ritzt, macht sich damit übrigens nicht strafbar. Und auch der Träger nicht, solange er seinen zweifelhaften Körperschmuck vor der Öffentlichkeit verbirgt. Eine Hakenkreuzfahne in den eigenen vier Wänden aufzuhängen, ist schließlich auch nicht verboten. Strafbar ist es allerdings, die Flagge so aufzuhängen, dass sie problemlos für alle sichtbar ist, also beispielsweise im Fenster.

Genauso verhält es sich mit strafrechtlich relevanten Tätowierungen. Sie in der eigenen Wohnung zu entblößen, kann einem niemand verbieten. Sobald man sich aber auf den Balkon stellt, zieht man sich besser etwas über. Auf öffentlichen Veranstaltungen, die unter besonderer Beobachtung stehen, werden kritische Tattoomotive, die sich nicht mit Kleidung verbergen lassen, oft mit Bandagen, Pflaster oder Klebestreifen abgedeckt.

Wer öffentlich ein Nazi-Tattoo zur Schau stellt, wird das womöglich bereuen, wenn es deswegen zum Prozess kommt. Auf das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen stehen Geldstrafen oder bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe – die kann einen übrigens auch dann treffen, wenn die jeweilige Organisation erst im Nachhinein als verfassungsfeindlich eingestuft wird. Bei Volksverhetzung sind Freiheitsstrafen zwischen drei Monaten und fünf Jahren möglich.

Zum Entfernen der fragwürdigen Tätowierung kann einen das Gericht übrigens nicht verdonnern. Das wäre ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Wer irgendwann wieder unbehelligt kurze Hosen tragen möchte oder ohne T-Shirt baden gehen will, muss den Schandfleck auf eigene Kosten lasern oder überdecken lassen.

von

Günter Schwarz – 28.08.2016