2013 startete die AfD als von Professoren geführte Anti-Euro-Partei. Heute ist sie laut dem Politologen Funke zu einer „radikalen Agitations- und Bewegungspartei“ geworden. Funke stellt nun eine neue Studie über den Aufstieg und die Radikalisierung der Partei vor, und er stellt fest, das AfD-Phänomen ist viel komplexer als es oberflächlich scheint.

Die AfD hat sich nach Ansicht des Berliner Politologen und Soziologen Hajo Funke „zu einer radikalen Agitations- und Bewegungspartei“ entwickelt. In seiner neuen Studie „Von Wutbürgern und Brandstiftern“ zeichnet Funke den Weg der Partei nach und analysiert die Ursachen ihres Aufstiegs. Demnach habe sich im Nachkriegseuropa selten eine gemäßigte Rechtspartei so schnell und so radikal gewandelt.


Politologe und Soziologe Hajo Fumke
Funke zufolge haben die dem völkischen „Flügel“ angehörenden Politiker Björn Höcke und André Poggenburg sowie Alexander Gauland das Sagen in der AfD. Der thüringische Fraktionschef, der sachsen-anhaltinische Parteivorsitzende sowie der Vize-Parteichef bildeten das „dynamische Zentrum“ der Partei, sagte Funke bei der Vorstellung seines Buches. Ein Beispiel dafür sei die Verabschiedung islamfeindlicher Passagen des Parteiprogramms auf dem Bundesparteitag in Stuttgart gewesen. Die Parteispitze habe sich damals „weggeduckt“.

Seit dem Sommer 2015, in dem der damalige Parteichef Bernd Lucke entmachtet wurde, hätten radikale Kräfte die Zügel in der Hand, so Funke. „Nichts geht ohne den radikalen ,Flügel‘.“ Er sei mächtiger denn je und immer dazu bereit, jene, die die Partei offiziell repräsentierten, vor sich herzutreiben. Neben Höcke und Poggenburg identifiziert Funke den sachsen-anhaltinischen Abgeordneten Hans-Thomas Tillschneider, der die rechte „Patriotische Plattform“ innerhalb der AfD anführt.

„Identitäre“ machen AfD-Guerilla-Marketing

Tillschneider hatte mit einem Auftritt als Gastredner bei Pegida im vergangenen Mai den Unmut des AfD-Bundesvorstandes auf sich gezogen. Zudem gilt Tillschneider als Sympathisant der „Identitären Bewegung“, einer völkischen Organisation, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die „Identitären“ hatten zuletzt vor wenigen Tagen durch eine Aktion auf dem Brandenburger Tor in Berlin auf sich aufmerksam gemacht.

Laut Funke entwickeln sich die „Identitäre Bewegung“ und andere Protagonisten der rechten Szene, die „Ein Prozent für unser Land“-Kampagne von Götz Kubitschek und die publizistische Arbeit von Jürgen Elsässer, zum „ideologischen und in Aktionen präsenten Stoßtrupp für die Radikalisierung der AfD“. Die „Identitären“ betrieben eine Art Guerilla-Marketing für die AfD. Diese immer engere Verzahnung werde vor allem durch Tillschneider, Höcke und Poggenburg betrieben.

Der Erfolg der AfD speist sich für Funke besonders aus ihrer „rechtspopulistischen Taktik“. Er schreibt, die Parteispitze um Jörg Meuthen und Frauke Petry versuche, sich in der Öffentlichkeit moderat zu geben. In der Ausrichtung habe sich die Partei aber „radikal entwickelt“.

CDU trägt Mitverantwortung

Als Ursachen des Aufstiegs der AfD macht Funke neben der Flüchtlingskrise eine andauernde Unzufriedenheit in der Bevölkerung aus. Diese speise sich aus der Eurokrise, Ohnmachtsgefühlen im globalisierten Kapitalismus, „korrupten Erscheinungen“ – Funke nennt exemplarisch die Fifa-Affäre – sowie eine weitreichende „Entmachtung demokratisch legitimierter Parlamente“.

Funke versteht sein Buch auch als Mahnung an die etablierten Parteien. Vor allem die CDU habe versagt, als es in der Flüchtlingskrise darum ging, rechtsextreme Hetzer und Gewalttäter in die Schranken zu weisen. Besonders in Sachsen, der Heimat der Pegida-Bewegung, konstatiert Funke ein „Politikversagen“. In Teilen der sächsischen CDU will er eine „rechtspopulistische Dynamik“ entdeckt haben.

Funke zitiert Maximilian Krah, Beisitzer im Dresdner CDU-Kreisvorstand. Krah schrieb im vergangenen März auf seiner Website: „Das Problem der AfD ist nicht ihre Programmatik, die entspricht weitgehend derjenigen der Jungen Union und CDU, in die ich 1991 und 1996 eingetreten bin. Ihr Problem ist, dass sie personell unkonsolidiert und oft einfach unsympathisch ist.“

von

Günter Schwarz – 10.09.2016