Kurz vor Wahlen für Aufsehen zu sorgen, scheint sich bei der AfD zu einem Prinzip zu entwickeln. In einem Interview spricht Parteichefin Frauke Petry von negativen Folgen durch den Flüchtlingszuzug und wirbt nebenbei für das Wort „völkisch“, um den bei den Nazis gebräuchlichen Begriff aus dem braunen Sprachjargon wieder in einen unbelasteten und neutralen weißen Sprachgebrauch zu wandeln.

Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry warnte vor einem „Bürgerkrieg in Deutschland“, falls die negativen Folgen der Zuwanderung weiter zunehmen sollten. „Wir haben bisher keine Massendemonstrationen gegen Migranten, wir haben noch keine Massenproteste in deutschen Großstädten. Aber was wir an Verfolgung von beispielsweise christlichen Frauen in unseren Unterkünften erleben, auch an inzwischen alltäglicher Kriminalität von angeblich Schutzsuchenden auf der Straße, das ist untragbar. Je mehr ungebildete und oft aggressive junge männliche Einwanderer aus Nordafrika kommen, desto mehr wird die Lage eskalieren“, sagte sie der „Welt am Sonntag“.

„Wir wollen keinen Bürgerkrieg in Deutschland. Wir sind die Partei des sozialen Friedens.“ Zugleich bekräftigte Petry ihre bekannte Auffassung, dass der Begriff „völkisch“ positiv aufgeladen werden sollte. Es sei „eine unzulässige Verkürzung“, wenn gesagt werde, der Begriff sei rassistisch. Sie benutze ihn zwar nicht. Aber: „Mein Problem ist, dass es bei der Ächtung des Begriffes ,völkisch‘ nicht bleibt, sondern der negative Beigeschmack auf das Wort ,Volk‘ ausgedehnt wird.“ Letztlich sei „völkisch“ ein zugehöriges Attribut zu „Volk“, argumentierte Petry.

Im Duden wird „völkisch“ unter anderem als „in der rassistischen Ideologie des Nationalsozialismus“ stehend definiert. Der Begriff stand im Dritten Reich für die Abgrenzung einer deutschen „Volksgemeinschaft“ gegenüber als minderwertig angesehenen Gruppen wie etwa Juden oder Schwarzen.

„Rassisten wollen sich von Lehren aus Geschichte emanzipieren“

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck kritisierte Petry scharf. Wenn sie den Begriff „völkisch“ nicht mehr negativ besetzen wolle, sei „das nichts Anderes als der Versuch von Rassisten, sich von den Lehren aus unserer Geschichte emanzipieren zu wollen“. Das werde „Juden, Sinti und Roma schockieren, Migranten und Flüchtlinge ängstigen und muss alle Demokraten alarmieren“, erklärte der migrations- und religionspolitische Sprecher der Grünen.

Auch der SPD-Politiker Niels Annen zeigte sich angesichts der Äußerungen Petrys entsetzt: „Das ist kein Spaß mehr: AfD wirbt offen um Rechtsradikale“, schrieb er bei Twitter. Ihre Äußerungen platzierte Petry genau eine Woche vor der Abgeordnetenhaus-Wahl in Berlin. Vor Wahlen mit provokanten Thesen oder Begriffen Aufsehen zu erregen, ist ein bekanntes Muster der Alternative für Deutschland.

Die IG Metall will sich angesichts der AfD-Wahlerfolge stärker um deren Wähler in den Betrieben kümmern. „Uns bleibt auch nicht verborgen, dass unter den Wählern auch Beschäftigte aus unseren Betrieben sind“, sagte die zweite Vorsitzende Christiane Benner im SWR-„Interview der Woche“. Um ihre genauen Beweggründe herauszufinden, setze man auf Gespräche. „Wir versuchen, unsere Funktionäre, unsere Mitglieder dafür zu schulen, aufzufordern, genau den Dialog zu führen, damit wir diese Menschen mit Herz und Kopf wieder auf einen demokratischen Weg bringen“, erklärte Benner.

Frauke Petry äußerte sich auch zu ihren politische Karriereplänen. Bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr werde sie für die sächsische AfD-Landesliste kandidieren, sagte sie der „Welt am Sonntag“. Als Wahlkampfthemen nannte Petry neben mehr direkter Demokratie und der Zuwanderungspolitik die „Beendigung des Projekts Euro“, eine „radikale EU-Reform durch Rückbesinnung auf die ursprünglichen Erfolge der Europäischen Gemeinschaft“ sowie Familie, Energiepolitik und Innere Sicherheit.

Grundsätzlich sei es das Ziel der AfD, „als starke Oppositionspartei, vielleicht sogar als Oppositionsführer in den Bundestag einzuziehen“, sagte Petry. Mittelfristig zeigte sie sich offen für eine Regierungsbeteiligung. Dabei sollte sich die AfD aber „mindestens auf Augenhöhe“ mit einem möglichen Koalitionspartner befinden.

In einer Umfrage des Emnid-Instituts für die „Bild am Sonntag“ konnte die AfD auf Bundesebene in der Wählergunst zulegen und ist mit 13 Prozent so stark wie zuletzt im Mai. Jeder dritte Deutsche erwartet der Umfrage zufolge, dass sich die rechtspopulistische Partei langfristig etabliert. Die Union fällt in der Sonntagsfrage um einen Prozentpunkt auf 33 Prozent. Die SPD liegt wie in der Vorwoche bei 23 Prozent, die Grünen erreichen erneut elf Prozent. Auch Linke (neun Prozent) und FDP (sechs Prozent) stagnieren.

von

Günter Schwarz – 12.09.2016