In Südamerika macht unter kolumbianischen Jugendlichen derzeit eine neue „Freizeitbeschäftigung“ die Runde: Sex-Roulette. Die einzige Regel des „Spiels“ ist: Wer ejakuliert, hat verloren. – Doch eigentlich gibt es nur Verlierer.

Ein Spiel unter Jugendlichen im kolumbianischen Medellín und in anderen Grossstädten macht den Gesundheitsbehörden momentan große Sorgen. Die jungen Leute, meist aus wohlhabenden Familien, versammeln sich in einem Haus, trinken – oft hochgradigen – Alkohol und tanzen. Sobald die Stimmung aufgelockert ist, kann das Spiel beginnen. Die Frauen bilden einen Kreis – und lassen sich von den Männern penetrieren. Ohne Kondom versteht sich.

Für die männlichen Spieler gilt dabei: Sie dürfen nur für eine ganz kurze Zeit im Körper der Frauen verweilen, denn die einzige Regel, die das so genannte „Sex-Roulette“ hat, besteht darin, dass die Männer nicht ejakulieren dürfen. Mit anderen Worten: Wer kommt, muss die Runde verlassen und hat das Spiel verloren.

Opfer und Eltern verstehen nicht, wie es so weit kommen konnte

Der neue Trend hatte in den letzten Monaten unbeabsichtigte Konsequenzen. „Ich wusste nicht, dass ich auf dieser Weise schwanger werden kann. Die Jungs waren alle nur kurz in mir drin“, sagte ein 14-jähriges Mädchen seinen Eltern, als es schon zu spät war. Die Eltern verstehen ebenso wenig, wie das passieren konnte: „Wir meinten, wir hätten sie richtig erzogen“, sagten sie.

Die Gesundheitsbehörde sieht nun die Notwendigkeit einer Infokampagne. Die Schwangerschaften bei Mädchen zwischen 10 und 19 Jahren sind im Jahr 2012 rasant gestiegen. Viele der werdenden Mütter gaben später an, keinen Partner zu haben, erinnern sich aber, irgendwann am „Sex-Roulette“ teilgenommen zu haben. Einige sagten, sie hätten sich anfänglich geweigert mitzumachen, aber der Druck in der Gruppe sei einfach zu groß gewesen.

Das Spiel kann schreckliche Folgen haben

Nicht nur die ungewollten Schwangerschaften machen Eltern und Behörden Sorgen. Mit dem Spiel habe sich auch das Gefühl verbreitet, man könne sich nicht mit Geschlechtskrankheiten anstecken. „Das ist eine sehr gefährliche Entwicklung“, sagt der Sozialarbeiter José Ferney Torres. Den jungen Leuten sei gar nicht bewusst, welchen Gefahren sie sich damit aussetzten. Hinzu kommt, dass 82 Prozent der Mädchen einen Schwangerschaftsabbruch in illegalen Zentren durchführen lassen.

Für die Sozialarbeiterin Lina Marcela Orozco ist der neue Trend zwar erschreckend, aber nicht überraschend: „Diesen Teenies wird über die Medien und die sozialen Netzwerke ständig eingetrichtert, dass sie ihr Leben in vollen Zügen auskosten sollen. Dazu gehört auch eine Sexualität ohne Tabus.“ Das Spiel könne nur gestoppt werden, wenn die Mädchen ihr Selbstwertgefühl wiedergewännen.

von

Günter Schwarz – 12.09.2016