Wer misstraut den Mainstream-Medien?
„Lügenpresse“, „Lückenpresse“, „gelenkte Berichterstattung“ – die Vorwürfe gegen die etablierten Medien sind vielfältig. Doch welche Teile der Bevölkerung sehen die Presse besonders kritisch? Eine neue wissenschaftliche Analyse ist dieser Frage nun nachgegangen.
Woher kommt die wachsende Medienkritik in der deutschen Bevölkerung? Kim Otto und Andreas Köhler vom Institut für Wirtschaftsjournalismus der Universität Würzburg wollten das genauer wissen. Für ihre Analyse griffen die beiden Forscher auf offizielles Datenmaterial zurück. Im Auftrag der Europäischen Kommission analysiert das Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften alljährlich mit seinem Eurobarometer die allgemeine Stimmung in den EU-Staaten. Die neuesten Zahlen beziehen sich auf November 2015. Bemerkenswert ist schon das Ausgangsmetrial: Nur noch 51 Prozent der Bundesbürger vertrauen der Presse, vier Prozent weniger als im Vorjahr.
Es sind vor allem die jungen Generationen, die den etablierten Medien nicht mehr vorbehaltlos Glauben schenken. In der Altersgruppe 25 bis 34 Jahre misstrauen ganze 62,4 Prozent dem Mainstream, gleich ob es sich dabei um Radio, Fernsehen oder Tageszeitung handelt.
Durchaus überraschend dabei ist, das Geschlecht der Befragten spielt dabei keine Rolle. Junge Männer und Frauen sehen die Berichterstattung gleichermaßen skeptisch.
Das Schicksal der Mainstream-Medien, zunehmend argwöhnisch beobachtet zu werden, teilen auch andere politische Institutionen. Besonders die Parteien verlieren bei den Befragten praktisch im Einklang mit der Presse ihre Glaubwürdigkeit. Oder auch anders herum gedeutet heißt es, dass Menschen, die von Parteien erreicht werden, den Medien eher vertrauen. Spätestens mit dem jüngsten Aufstieg der AfD dürfte sich dieses Bild allerdings ausdifferenziert haben.
Und tatsächlich, Menschen, die sich selbst eher im rechten Spektrum verordnen gaben an, den Medien stärker zu misstrauen als überzeugte Linke. Längst hat der Diskurs jedoch auch die Mitte der Gesellschaft erreicht. Nur jeder zweite Median-Bürger vertraut noch Print, Funk und Fernsehen, was ein Anstieg von über 6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ergibt.
Untersucht haben die beiden Forscher von der Uni Würzburg auch die Auswirkungen der Flüchtlingskrise auf das Image der Medien. Je größer die Ablehnung von Migranten, desto eher misstrauen die Befragten auch der Berichterstattung. Wenig verwunderlich, gestehen einige Mainstream-Medienmacher, wie Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, mittlerweile auch selbstkritisch ein, zu Beginn der Flüchtlingskrise zu einseitig berichtet zu haben.
Einen eher geringen Zusammenhang scheint es zwischen der eigenen wirtschaftlichen Lage und dem Vertrauen in die Presse zu geben. Obwohl sich die eigene Einschätzung der persönlichen Finanzlage im Schnitt verbessert hat, wuchs das Misstrauen in den Journalismus. Um ein reines Frust- und Wuturteil scheint es sich dabei also nicht zu handeln.
Deutlich ist jedoch, auch zwei Jahre nach dem großen Bruch der deutschen Öffentlichkeit im Zuge der Berichterstattung zur Ukrainekrise, ist es den Medienmachern nicht gelungen, verloren gegangenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Im Gegenteil: Die Berichterstattung zur Flüchtlingskrise werteten viele Medienkonsumenten als Bevormundung mit erzieherischem Anspruch. Eine Arbeitsweise, die vielleicht dem Kinderfernsehen zusteht, von einem politischen Medium allerdings nicht an den Tag gelegt werden sollte.
Für ein Mediensystem, dass sich weltweit als Vorreiter der Pressefreiheit und Objektivität darstellt, kommen die Zahlen in jedem Falle einer Ohrfeige gleich. Die Hälfte der Bevölkerung hat sich bereits abgewendet, daran gibt es wenig zu deuten. Bleibt nur, die Analyse zu ignorieren.
von
Günter Schwarz – 13.09.2016