Cellulite – was man darüber wissen muss!
In Filmen, Magazinen und auf Plakaten haben Frauen makellose Beine – Photoshop sei Dank. In der echten Welt haben Frauen Cellulite und viele wollen wissen, was dagegen hilft. Soviel vorweg: Cellulite ist keine Krankheit!
„Was gibt es Weiblicheres als einen dicken, weichen Hintern?“, fragt die Carolin Kebekus. „Die Einzigen, die Interesse daran haben, dass wir uns auf immer und ewig zu fett und faltig finden, sind doch die Leute, die genau die Kosmetik verkaufen, mit der wir uns die Cellulite wegcremen sollen.“ Die Kölner Kabarettistin hat dem Schönheitswahn den Kampf angesagt, und damit ist sie nicht alleine. Ein neuer Zeitgeist entwickelt sich: liebe Deinen Körper, so wie er ist!
Erfolgreiche Vorbilder
„Bodylove“ heißt die internationale Kampagne gegen Diskriminierung, Mobbing und Body Shaming (Körperscham) von Silvana Denker aus Netphen im Kreis Siegen-Wittgenstein. Sie ist Fotografin und erfolgreiches Übergrößenmodel. In vielen Städten fotografiert sie seit einem Jahr Frauen, teils auch Männer in Unterwäsche – zuletzt in New York. Dabei geht es ihr um mehr Selbstliebe, Akzeptanz und Toleranz. Ihre US-amerikanische Kollegin, das Plus-Size-Model Ashley Graham, schrieb diesen Sommer bei Instagram: „Mir sagte mal jemand, meine Oberschenkel seien, Cellulite City‘. Aber ich weiß jetzt, dass diese Oberschenkel eine Geschichte von Sieg und Mut erzählen. Ich will nicht andere bestimmen lassen, wie mein Körper aussehen sollte, damit sie sich wohlfühlen. Und ihr solltet das auch nicht tun.“

Plus-Size-Model Ashley Graham macht Mut
Nicht alle Frauen haben ein solch gesundes Selbstvertrauen. Laut einer britischen Studie sind mehr als 90 Prozent der Frauen zwischen vierzig und fünfzig Jahren so unzufrieden mit ihrem Spiegelbild, dass sie vor dem Spiegel ein Angst-Syndrom entwickelt haben. Das ist kein britisches Phänomen: Viele Studien zeigen, dass auch die deutschen Frauen oft unzufrieden mit ihrer Figur sind. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist alarmiert, weil sich fast 50 Prozent der normalgewichtigen elf- bis 17-jährigen Mädchen als zu dick empfinden. Bei denen hat Cellulite noch nicht mal angefangen – die zeigt sich meist erst ab dem 20. Lebensjahr.
Hoffnung gibt eine aktuelle Studie des US-amerikanischen College of Wooster. Die Forscher haben eine Metaanalyse durchgeführt, die über 250 Studien von rund 100.000 Teilnehmerinnen zwischen 1981 bis 2012 umfasst. Ergebnis: Obwohl noch immer mehr Frauen als Männer unzufrieden mit ihrem Körper sind, gehen sie nicht mehr so hart mit sich ins Gericht wie vor 30 Jahren.
Cellulite – eine Erfindung des 20. Jahrhunderts
Rund 90 Prozent aller Frauen entwickeln im Laufe ihres Lebens Cellulite, das ist seit Jahrtausenden so. Und das hat bis vor rund 100 Jahren auch noch niemanden interessiert – Beine und Po der Frauen sahen eben so aus. Die ersten, die Cellulite thematisierten, waren die Franzosen in den 1930er-Jahren. Modemagazine publizierten Artikel über Cellulite, Schönheitssalons entwickelten Heilmittel. Lange schien Orangenhaut ein französisches Problem zu sein, doch seit 1968 die US-Vouge über die „Plage“ berichtete, stehen Frauen auf der ganzen Welt vor dem Spiegel und hadern mit den Dellen.
Ursachen für die Dellen
Das Waffelmuster kann auf Oberschenkeln, Po, Hüften, Bauch und an Oberarmen entstehen. Betroffen sind meist Frauen – auch die ganz schlanken, was an dem anatomischen Aufbau der weiblichen Haut liegt. Frauen haben von Natur aus ein schwächeres Bindegewebe als Männer, damit sich die Haut während der Schwangerschaft ausdehnen kann. Mit zunehmendem Alter schwindet die Hautelastizität, das Fettgewebe kann sich leichter ausbreiten, so dass sich die Bindegewebsstränge sichtbar durch die Hautoberfläche drücken. Durch weibliche Geschlechtshormone kommt es bei Frauen zu einer stärkeren Fett- und Wassereinlagerung, was für Kurven mit Knubbeln an Beinen und Po sorgt. Die Genetik spielt ebenfalls eine Rolle: Ist Cellulite in der Familie stark verbreitet, ist die Wahrscheinlichkeit groß, irgendwann selbst Dellen zu entwickeln.

Ein schlechtes Vorbild: völlig unrealistische Proportionen
Ein Millionengeschäft
Rund 60 Millionen Euro geben die Deutschen jährlich für Anti-Cellulite-Produkte aus. Aber Cremes, Gels und Sprays sind meist wirkungslos, sagt Professor Ulrich Hegge, Dermatologe aus Düsseldorf. Die Hersteller machten aus Kostengründen kaum aussagekräftigen Studien. „Müssen sie auch nicht, denn im kosmetischen Sektor darf man immer viel versprechen und muss es nicht mit Studien beweisen“, so Hegge. Es werden immer wieder neue Methoden erfunden, um den Fettzellen zu Leibe zu rücken: per Laser, durch Absaugen, Einfrieren oder mit Seifenspülungen. Schnell kann eine solche Behandlung einige Tausend Euro kosten. Der Dermatologe ist skeptisch, denn manche Verfahren sind gefährlich, andere können den Cellulite-Effekt noch verstärken oder nur kurzzeitig das Hautbild verbessern.

Mit Hightech gegen Cellulite: Das Geschäft mit Komplexen
„Bewegung, Gewichtsreduktion und Massagen helfen wirklich“, sagt Ulrich Hegge. Massagen bringen den Stoffwechsel auf Touren und fördern den Abfluss der Fettzellen über die Lymphe, wenn sie regelmäßig und behutsam durchgeführt werden. „Aber nicht zu stark, damit es nicht noch durch die Massage zu weiteren Bindegewebsbrüchen in der Haut kommt“, warnt der Mediziner.

Cellullite als neues Schönheitsideal – Idee von Carolin Kebekus
von
Günter Schwarz – 14.09.2016