Dänemark lehnt Gespräche mit Russland über strittige Gebiete in der Arktis ab. Man denkt, vor der zuständigen Uno-Kommission die besseren Karten zu haben.

Dänemark hat laut seinem Außenminister Jensen zur gegenwärtigen Zeit kein Interesse an bilateralen Gesprächen mit Russland zu Gebietsansprüchen der beiden Staaten, die sich in der Nordpol-Region überlappen. Laut der dänischen Zeitung „Politiken“ lehnte Jensen eine entsprechende Anregung aus Moskau rundweg mit den Worten ab, man wolle zuerst die Experten der Uno-Kommission zu den Grenzen des Kontinentalsockels (UN Commission on the Limits of the Continental Shelf, CLCS) die jeweiligen Ansprüche prüfen lassen, bevor man Verhandlungen aufnehme.

Den Nordpol im Visier

Dänemark und Grönland hatten vor eindreiviertel Jahren zusammen als erste Arktis-Anrainer konkret einen Anspruch auf substanzielle Teile des Kontinentalsockels nördlich von Grönland einschließlich des Nordpols von insgesamt knapp 900 000 Quadratkilometern erhoben. Begründet wurde dies mit dem Verlauf des sogenannten Lomonossow-Rückens, einem Gebirge unter dem Meeresspiegel, das nach dänischer Ansicht eine Verlängerung Grönlands darstellt. Deshalb könne Kopenhagen Rechte über die 200-Meilen-Zone hinaus für wirtschaftliche Nutzung geltend machen. Interessant sind die Gebiete wegen vermuteten Energiereichtums.

Auf analoger Grundlage, und ebenfalls mit dem Lomonossow-Rücken im Zentrum der Argumentation, erhebt allerdings auch Russland Ansprüche auf arktische Seebett-Gebiete in der Polarregion von insgesamt über einer Million Quadratkilometern Ausdehnung jenseits seiner 200-Meilen-Zone. Der 2015 gestellte Antrag an die CLCS sei wissenschaftlich wesentlich besser dokumentiert als ein abgelehntes Ansinnen aus dem Jahr 2001, berichteten russische Medien Anfang dieses Jahres.

Die Forderungen von Dänemark/Grönland sowie Russland nach Anerkennung von Meeresgebieten überschneiden sich auf einer Fläche von rund 550 000 Quadratkilometern. Nach einem Bericht des „Independent Barents Observer“, einer norwegischen, auf Arktis-Fragen spezialisierten Internet-Publikation, hatte Russlands Minister für natürliche Ressourcen, Sergei Donskoi, vor einigen Tagen Präsident Putin Verhandlungen mit Dänemark noch in diesem Herbst empfohlen, um den „Prozess zu beschleunigen“ und bilateral zu einer vorläufigen Vereinbarung zu kommen. Die Begutachtung der Ansprüche der beiden Länder in der Arktis durch die CLCS dürfte nämlich mehrere Jahre dauern.

Selbstsichere Dänen

Dänemark will aber erst dann mit Russland sprechen, wenn bekannt ist, wie sich die CLCS zu den einzelnen Gebietsansprüchen stellt. Auch Kanada könnte zudem laut Medienberichten in dieser Sache noch mit einem detaillierten Anliegen bei der Uno-Kommission vorstellig werden. Das einzige Land, das bereits positiven Bescheid der CLCS zu seiner Position hat, ist Norwegen. Allerdings erhebt Norwegen, anders als Dänemark, Kanada oder Russland, keinen Anspruch auf den Nordpol.

Ein Analytiker des Osloer Instituts für Friedensforschung, Pavel Bajev, interpretierte die dänische Position gegenüber der Zeitung „Politiken“ als Hinweis darauf, dass sich Dänemark seiner Argumentation gegenüber der Uno-Kommission recht sicher sein müsse, wenn man Verhandlungen mit Russland vorläufig ausgeschlagen habe. Die Zeitung selber schrieb, laut Arktis-Experten sei zu erwarten, dass die CLCS sowohl dem russischen wie dem dänischen Antrag eine gewisse Berechtigung zugestehe. Als Folge eines solchen Entscheids wären die beiden Länder dann gezwungen, in Gesprächen einen Konsens zur Grenzziehung zu finden.

von

Günter Schwarz – 14.09.2016