Größtenteils halten sich die Deutschen für gute Autofahrer. Ein weithin bekanntes Risiko unterschätzen sie aber ganz gewaltig, wie eine Studie herausfand, denn auf den Autobahnen sind viele Fahrer nahezu blind unterwegs.

Mit 140 Stundenkilometern auf der Überholspur, das Handy in der Hand, um mal kurz zu überprüfen, wer da gerade eine Nachricht geschickt hat – erschreckend viele Autofahrer in Deutschland scheinen so unterwegs zu sein. Verkehrspsychologen der TU Braunschweig fanden in einer neuen Studie heraus, dass jeder zehnte Autofahrer telefoniert oder Nachrichten tippt, während er auf der Autobahn unterwegs ist.

Die Studie lag zuerst dem NDR vor, die sie über ihre Radioprogramme „NDR Info“ und „N-Joy“ verbreitete. „Wir beobachteten häufig, dass der Blick erstaunlich lange weg von der Straße, hin zum Smartphone geht“, erklärte Studienleiter Mark Vollrath, „das Ergebnis ist ein ,Blindflug‘ von fünfzig bis hundert Metern bei hoher Geschwindigkeit.“

„Ablenkung beim Autofahren gab es schon immer, sei es  durch Rauchen, Essen oder die Suche nach dem richtigen Radiosender, doch Smartphones seien heute jedoch die größte Ablenkungsgefahr“, meint Andreas Hölzel vom ADAC. Bei jedem zehnten Unfall bei dem ein Mensch zu Schaden kommt, sei Unachtsamkeit der entscheidende Auslöser, meint der Verkehrsexperte. „Das betrifft vor allem die Ablenkung durch Smartphones“. Untersuchungen darüber, wie häufig das Handy tatsächlich der Auslöser für Unfälle ist, gibt es in Deutschland nicht.

Unfallrisiko fast ums Vierfache erhöht

Eine aktuelle amerikanische Studie der Verkehrsforscher vom Virginia Tech Transportation Institute kommt zu dem Ergebnis, dass die Suche nach dem Handy, das Telefonieren und vor allem das Lesen und Schreiben von Texten das Unfallrisiko um insgesamt fast um das Vierfache erhöht. Experten halten die Ergebnisse auch auf Deutschland übertragbar. Besonders auf langen und monotonen Strecken über die Autobahn sei die Versuchung, zum Handy zu greifen, groß, erklärten die Braunschweiger Wissenschaftler.

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Sie fanden heraus, dass auf der Autobahn etwa doppelt so viele Menschen mit dem Handy hantieren wie im Stadtverkehr. Dort benutzten rund 4,5 Prozent der Fahrer das Gerät, hatten die Forscher bereits im März festgestellt.  Obwohl die Autofahrer ihr Verhalten selbstkritisch bewerten, ändern sie offenbar nur wenig. Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Automobil-Club Verkehr und der Deutschen Verkehrswacht ergab Ende August, dass sich 40 Prozent der Handynutzer beim Fahren stark, 20 Prozent sogar sehr stark abgelenkt fühlen. Nur 11 Prozent der Befragten gaben jedoch an, durch das Hantieren mit ihrem Handy einen Fahrfehler begangen zu haben. „Viele meinen, sie haben alles im Griff“, sagt Hölzel vom ADAC. „Das Autofahren wird dabei zur Nebensache.“

Besonders Menschen bis zum 45. Lebensjahr nutzen laut der Umfrage ihr Handy am Steuer. 81 Prozent von ihnen gaben an, es zumindest hin und wieder im Straßenverkehr zu gebrauchen. Deshalb will der ADAC auch besonders bei Jüngeren für mehr Aufklärung sorgen. „Das Thema muss stärker in die Fahrausbildung integriert werden“, meint Hölzel.

von

Günter Schwarz – 15.09.2016