„Dieses Gesetz nimmt das Recht auf Leben“
Tod auf Verlangen? – Sogar der SRF-„Tatort“-Krimi aus der Schweiz vom gestrigen Abend beschäftigte sich mit diesem Thema. – In Europa ist Sterbehilfe Ländersache, wobei es in Belgien das liberalste Sterbehilfe-Gesetz gibt. Doch bisher hat auch dort noch niemals ein minderjähriger Patient Sterbehilfe erhalten, was jetzt geschehen ist. Der Vatikan kritisiert sehr scharf, dass das belgische Gesetz damit auch Kindern das Recht auf Leben nehme.
Der erste Fall von Sterbehilfe für Minderjährige in Belgien hat heftige Proteste aus dem Vatikan hervorgerufen. Das belgische Sterbehilfe-Gesetz nehme Kindern das Recht auf Leben, sagte Kardinal Elio Sgreccia im Radio Vatikan.
Der Patient oder die Patientin war den Angaben der staatlichen Sterbehilfe-Kommission zufolge 17 Jahre alt und unheilbar krank. Der Fall soll sich in Flandern, in Nordbelgien, ereignet haben. Weitere Einzelheiten zum genauen Ort und zu der Person wurden nicht bekannt gegeben.
Verlässt Belgien menschenrechtliche Standards?
Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz hatte den neuen Fall von Sterbehilfe in Belgien kritisiert. „Die Tötung auf Verlangen von Kindern hat nichts mit würdigem Sterben zu tun“, sagte der Vorstandsvorsitzende Eugen Brysch. Belgien verlasse damit „die menschenrechtlichen Standards der Europäischen Union. Aber die europäischen Institutionen schweigen“.
Ob Sterbehilfe erlaubt oder verboten ist, entscheidet nicht die EU, sondern jedes Mitgliedsland für sich selbst. Belgien hat das weltweit liberalste Sterbehilfe-Gesetz, das für Erwachsene bereits seit 2002 gilt. Anfang 2014 dehnte das belgische Parlament die Sterbehilfe dann auf Kinder und Jugendliche aus.
Voraussetzung: Unheilbar krank, eigene Entscheidung
Voraussetzung ist allerdings, dass sie in der Lage sind, sich zu artikulieren und nachweislich eine rationale Entscheidung treffen können. Darüber hinaus müssen sie sich im Endstadium einer unheilbaren Krankheit befinden und unter nicht zu lindernden Schmerzen leiden. Die Entscheidung muss von Ärzten, Psychologen und Eltern unterstützt werden.
Schmerzmittel statt Sterbehilfe?
Doch in Belgien gibt es auch Gegner der aktiven Sterbehilfe. Darunter sind vor allem Kirchen und Verbände für Patientenschutz. Sie fordern mehr Geld, Personal und Ausstattung für die Palliativmedizin, also die ganzheitliche Behandlung von unheilbar kranken Menschen bis zum Tod, zum Beispiel mit Schmerzmitteln.
„Wir glauben, dass die palliativmedizinische Begleitung die gute, menschenwürdige Antwort ist, nicht die Sterbehilfe“, meint Carine Brochier vom Europäischen Institut für Bioethik in Brüssel.
von
Günter Schwarz – 19.09.2016