Eine Smartphone-App macht Nutzer verdächtig. In der Türkei läuft momentan eine landesweite Razzia gegen Nutzer der Smartphone-App „Bylock“. Das Programm soll bei den Putschvorbereitungen für die geheime Kommunikation genutzt worden sein.

Die türkische Polizei schlug in 15 Provinzen zu. Allein der Hauptermittler der Provinz Kayseri hat eigenen Angaben zufolge 141 Haftbefehle ausgestellt. Das berichtet das regierungsnahe Blatt „Yeni Safak“. Die türkischen Behörden gehen hart gegen die Nutzer der Smartphone-App „Bylock“ vor.

Der bisher weitgehend unbekannte Mitteilungsdienst soll für die Vorbereitungen des vereitelten Staatstreichs Mitte Juli von Putschisten genutzt worden sein. Angeblich wurde der Dienst von Anhängern des früheren Imams Fethullah Gülen entwickelt, den Ankara als Drahtzieher des Aufstands ausgemacht hat.

Nach Angaben von „Yeni Safak“ begann die Razzia am frühen Dienstagmorgen. Bei den Verdächtigen handelt es sich demnach vor allem um Lehrer und Ärzte. Abgesehen davon, und dass sie die App genutzt habe sollen, sind keine weiteren Informationen über sie an die Öffentlichkeit gedrungen. Auch wie viele Festnahmen es bei der landesweiten Razzia insgesamt gegeben hat, ist noch unbekannt.

Früheren Medienberichten zufolge ist der türkische Geheimdienst MIT schon kurz nach einer ersten „Säuberungswelle“ gegen Anhänger Gülens auf die App aufmerksam geworden. Diese Verhaftungswelle ereignete sich, nachdem Gülen-nahe Polizisten und Juristen Ende 2013 einen Korruptionsskandal aufdeckten, in den auch Verwandte von Staatschef Recep Tayyip Erdoğan verwickelt gewesen sein sollen.

Zehntausende Verhaftungen und Suspendierungen

Die MIT-Mitarbeiter stellten danach fest, dass Gülen-Anhänger immer seltener konventionelle Kommunikationsmittel wie die Sprachtelefonie oder SMS nutzten. Sie gingen daher davon aus, dass sie auf anonyme Systeme umstiegen, und stießen auf „Bylock“.

Angeblich verwendeten zu Hochzeiten mehr als 200.000 Personen die App. Laut dem Webportal „Hurriyet Daily News“ wurden mittlerweile ungefähr 160.000 dieser Nutzer namentlich identifiziert, weil es dem MIT gelungen sei, die Server des Anbieters zu hacken.

Dieser Hack ereignete sich den Berichten zufolge vor dem Putschversuch. Darauf aufmerksam geworden, wechselten die Putschisten zu einem anderen Mitteilungsdienst.

In der Türkei wurden seit dem niedergeschlagenen Putschversuch Zehntausende inhaftiert oder von ihren Posten suspendiert. Menschenrechtsorganisationen berichten von einer weitreichenden Willkür bei den Festnahmen, die mit Rechtsstaatlichkeit nichts mehr zu tun habe. Viele Anwälte trauen es sich Medienberichten zufolge nicht einmal mehr, Anhänger des Predigers Gülen zu verteidigen, weil sie fürchten, dann selbst verfolgt zu werden.

von

Günter Schwarz – 21.09.2016