Kreditwürdigkeit der Türkei auf Ramschniveau gesenkt
Die US-Ratingagentur Moody’s senkt den Daumen über die Türkei auf „Dislike“, um das in der „Facebook-Sprache“ auszudrücken. Die Finanzen des Landes haben sich angesichts der politischen Turbulenzen im Nachhinein um den Umgang mit dem gescheiterten Putschversuch und das, was der sogenannte Präsident des Landes, Recep Tayyip Erdoğan daraus gemacht hat, derart verschlechtert, dass man bezüglich der türkischen Wirtschaft nur noch von „Ramsch“ sprechen kann, erklärten die Experten.
Die langfristigen Verbindlichkeiten der Türkei würden nun nur noch mit „Ba1“ bewertet, teilte Moody’s mit. Das ist zwar nur eine Herabsetzung um eine Stufe, bedeutet aber, dass die Türkei aus dem so genannten Investment-Bereich in den „Ramsch-Bereich“ hineinrutscht.
Wachstum wird schwächer
Die Ratingagentur hatte bereits Mitte Juli nach dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei erklärt, eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Landes zu prüfen. Es müssten die mittelfristigen Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und politische Einrichtungen bewertet werden, hatte es vor rund zwei Monaten geheißen.
Jetzt teilte Moody’s mit, für die Jahre 2016 bis 2019 werde für die Türkei nur noch ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent erwartet. Das liege deutlich unter den 5,5 Prozent, um die die türkische Wirtschaft im Schnitt zwischen 2010 und 2014 gewachsen sei.
Die Reaktion der Regierung auf den gescheiterten Militärputsch werfe Fragen auf, so Moody’s weiter. So gebe es nach dem Vorgehen gegen Privatfirmen, die Verbindungen zur Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen hätten, nun zunehmende Sorgen mit Blick auf den Schutz privater Investments in der Türkei, was zuhauf Investoren abhält, in dem Land zu investieren.
„Fragiles finanzielles Umfeld“
Die Türkei bewege sich weiterhin „in einem sehr fragilen finanziellen und geopolitischen Umfeld“, erklärte die Ratingagentur. Ihre „äußere Verletzbarkeit“ habe zugenommen, sowohl in den vergangenen zwei Jahren als auch in jüngster Zeit wegen unvorhersehbarer politischer Entwicklungen, die der politischen Führung zuzuschreiben sind . Die Auslandsschulden von Regierung, Unternehmen und Bankensektor seien rapide gestiegen, so Moody’s weiter.
In diesem Jahr seien noch Zahlungen in Höhe von rund 159 Milliarden Dollar fällig. Diesem hohen Finanzierungsbedarf stünden plötzliche Schwankungen des Vertrauens der Investoren gegenüber, das in den vergangenen 18 Monaten „schwach und unbeständig“ gewesen sei, heißt es in der Mitteilung der Agentur weiter.
Nach dem Scheitern des Putschversuches am 15. Juli geht die türkische Regierung mit großer Härte gegen vermeintliche Gegner vor, insbesondere gegen die Gülen-Bewegung, gegen Kurden sowieso und gegen alle, die nicht im „Erdoğan-Chor“ mitsingen. Zehntausende Menschen wurden bisher festgenommen, ihrer Posten enthoben oder versetzt – und ein Ende der Verhaftungs- und Entlassungswelle ist nicht abzusehen. Zudem startete die Türkei Ende August eine Militäroffensive in Syrien, die sich offiziell gegen die IS-Miliz richten soll und die sich in der Realität vornehmlich gegen die syrischen Kurden richtet.
von
Günter Schwarz – 25.09.2016