(Genf) Ob in der Stadt oder auf dem Land leiden laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation mehr als 90 Prozent aller Menschen unter Luftverschmutzung. Wie die WHO am Dienstag in Genf bekannt gab, sterben jedes Jahr mehr als sechs bis sieben Millionen Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung. Besonders schlimm sei die Lage in den Städten, aber selbst auf dem Land sei das Problem größer als allgemein angenommen wird. Doch besonders betroffen sind demnach ärmere Länder.

Die Direktorin der WHO-Abteilung für öffentliche Gesundheit und Umwelt, Maria Neira, nannte die neuen Zahlen „zutiefst besorgniserregend“. Es handle sich um eine „gesundheitliche Notlage“. Besonders verschmutzt ist die Luft laut der Studie in Entwicklungs- und Schwellenländern, insbesondere im östlichen Mittelmeerraum, in Südostasien und im östlichen Pazifik. Unter den am stärksten betroffenen Ländern sind China, Vietnam und Malaysia. Luftverschmutzung betreffe aber „praktisch alle Länder der Welt und alle Teile der Gesellschaft“, sagte Neira.

„Schnelles Handeln ist dringend nötig, um gegen die Luftverschmutzung anzugehen“, forderte die WHO-Vertreterin. „Es gibt Lösungen.“ Neira forderte insbesondere Maßnahmen für die Verringerung des Autoverkehrs auf den Straßen, die Verbesserung des Abfallmanagements und die Förderung sauberer Energie zum Kochen.

Die Zahlen wurden an 3.000 Orten weltweit erhoben, sowohl durch Satellitentechnik als auch durch Messungen am Boden. Da aus den meisten Entwicklungsländern keine Daten aus Bodenmessungen vorliegen, muss die WHO zum Teil auf Schätzungen zurückgreifen. Aber trotz der Datenlücken verfüge die Organisation über so viele Angaben wie nie zuvor über umweltschädliche Stoffe in der Luft, sagte Neira.

92 Prozent der Weltbevölkerung leben demnach an Orten, an denen die von der WHO festgelegten Grenzwerte für saubere Luft überschritten werden. Dabei geht es der WHO vor allem um den besonders gesundheitsgefährdenden PM2,5-Feinstaub.

Besonders kleine Feinstaubpartikel mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometer können beim Einatmen bis in die Lungenbläschen gelangen und sind für die menschliche Gesundheit hochriskant. Die Verschmutzung der Luft mit Feinstaub erhöht die Risiken eines Schlaganfalls, von Herzkrankheiten, Lungenkrebs und Atemwegerkrankungen wie Asthma.

Die WHO macht die Feinstaubbelastung in der Außenluft für mehr als drei Millionen Todesfälle im Jahr verantwortlich. Aber auch verschmutzte Luft in Innenräumen kann den Angaben zufolge gefährlich sein, vor allem in armen Ländern, wo das Kochen mit Holz oder Kohle weit verbreitet ist. Aber nicht nur von Menschen gemachte Ursachen führen zu erhöhten Feinstaubwerten, wie die WHO hervorhob. Auch Sandstürme, vor allem in der Nähe von Wüsten, hätten einen Einfluss auf die Luftqualität.

Viele der gängigen Maßnahmen zum Schutz gegen Luftverschmutzung sind nach Angaben von Carlos Dora, WHO-Koordinator für öffentliche Gesundheit und Umwelt, nur wenig hilfreich. Tägliche Warnhinweise zur Luftqualität wie in Peking würden kaum den Durchschnittsmenschen helfen, die über längere Zeiträume der Luft ausgesetzt seien. Auch drinnen zu bleiben habe nur wenig Nutzen. Ferner habe die WHO noch keine gesicherten Erkenntnisse darüber, ob Atemschutzmasken ausreichende Filtereigenschaften hätten.

Ähnliche Zahlen hatte die WHO bereits im Mai veröffentlicht. „Das neue WHO-Modell zeigt, wo genau sich Gefahren durch Luftverschmutzung konzentrieren und bietet damit eine Beobachtungsbasis für deren Bekämpfung“, erklärte die stellvertretende WHO-Generaldirektorin Flavia Bustreo.

von

Günter Schwarz – 27.09.2016