Kurz vor Beginn des Parteitags der britischen Konservativen hat Premier Theresa May einer Zeitung zufolge erstmals skizziert, wie sie sich den Brexit-Prozess vorstellt und macht erste Schritte in Richtung Brexit. Ein erster formeller Schritt soll demnach im kommenden Frühjahr getan werden, wobei sie und ein Gesetz ankündigt, das EU-Recht auf der Insel aufheben soll.

Es ist noch nicht der konkrete Termin für den großen Schritt, auf den vor allem die Befürworter eines britischen EU-Austritts warten. Doch Theresa May, Großbritanniens Premierministerin, hat jetzt etwas klarer umrissen als zuvor, wie sich das Land einem Brexit nähern wird. So kündigte sie in einem Interview mit der „Sunday Times“ ein Gesetz an, durch das EU-Recht auf der Insel aufgehoben werden soll.

Geplant sei, bei der Thronrede der Queen – sie wird für April oder May erwartet – ein sogenanntes „Great Repeal Bill“ (dt. „Großes Aufhebungsgesetz“) in den Gesetzgebungsprozess einzubringen, das dann zur Abstimmung in die Parlamentskammern gehe. Damit solle die 1972 geschaffene Grundlage für die heutige EU-Mitgliedschaft des Landes aufgehoben werden. Der für den Brexit zuständige Minister David Davis sagte der Zeitung „Telegraph“, am Tag des Austritts aus würden alle EU-Verordnungen zunächst in britisches Recht übergehen. Etwaige Änderungen würden dann später vom Parlament in London vorgenommen. Die bestehenden Rechte der britischen Arbeiter würde daher nicht angetastet, sagte Davis.

In Kraft treten soll es allerdings erst, wenn Großbritannien tatsächlich der EU den Rücken gekehrt hat – also voraussichtlich zwei Jahre nach Beginn der offiziellen Austrittsverhandlungen. Auf einen Termin dafür hat sich May bisher nicht festgelegt. Allerdings deutete sie im Gespräch mit der „Sunday Times“ an, dass sie damit wohl nicht bis zur Bundestagswahl in Deutschland im Herbst 2017 warten werde. Der genaue Zeitablauf werde durch britische Interessen bestimmt, nicht dadurch, was aus Sicht anderer EU-Länder möglicherweise zweckmäßig sei.

Damit hat May kurz vor dem Parteitag der konservativen Tores, der am Sonntag Nachmittag beginnt und bis Mittwoch geht, auf den zunehmenden Druck der Brexit-Anhänger reagiert, den Abschied aus der Staatengemeinschaft möglichst schnell einzuleiten. Zudem fordern internationale Unternehmen, die in Großbritannien ein wichtiges Standbein haben, mehr Klarheit über den EU-Austritt.

Ende Juni haben 52 Prozent der Briten in einem Referendum für einen Brexit gestimmt. Das hat zum Rücktritt des damaligen Premiers David Cameron geführt. May, einst Innenministerin unter Cameron, zog im Juli in die Downing Street ein.

Zum Thema Brexit – der wohl schwersten Aufgabe, die vor ihr liegt – wiederholte sie seither gebetsmühlenartig vor allem diese Sätze: „Brexit heißt Brexit, weil es genau das heißt.“ Und die offiziellen Austrittsgespräche mit der EU werde sie wohl nicht mehr in diesem Jahr in Gang setzen, denn das Land brauche Zeit, um sich darauf vorzubereiten.

Weitere Details des so genannten Aufhebungsgesetzes, das May in der „Sunday Times“ ankündigte, wird sie voraussichtlich am Sonntag bei ihrer großen Parteitagsrede nennen. Mit diesem Gesetz wird das Land zunächst EU-Vorschriften in nationales Recht überführen und sich erst nach und nach von Gesetzen verabschieden, die man als missliebig empfinde. Dieses Vorgehen werde dem Land für größtmögliche Stabilität sorgen und Arbeitern, Konsumenten, der Wirtschaft und auch internationalen Verbündeten Sicherheit geben, so May in der „Sunday Times“.

In dem Interview hat die Premierministerin Neuwahlen vor 2020 ausgeschlossen. Sie reagierte damit auf Gerüchte, dass sie den Vorsprung der konservativen Tory-Partei in Meinungsumfragen nutzen und bereits im nächsten Jahr Neuwahlen ausrufen könnte. Jeremy Corbyn, Chef der oppositionellen Labour-Partei, hatte vor einigen Tagen seine Anhänger aufgerufen, sich darauf einzustellen, dass der Urnengang schon bald anstehen können. May dagegen sagte: Eine Parlamentswahl in den nächsten vier Jahren würde Unsicherheit auslösen.

von

Günter Schwarz – 02.10.2016