(Ankara) Abgezeichnet hatte es sich schon seit langem – jetzt ist es beschlossen. Gegen den Willen der noch kläglich vorhandenen Opposition hat die türkische Regierung beziehungsweise ihr „Weisungsberechtigter“, „Sultan und Groß-Wesir“ Recep Tayyip Erdoğan, den Ausnahmezustand nach dem Putschversuch um drei Monate verlängert. Die Opposition wirft Präsident Erdoğan zwar Machtmissbrauch vor, aber das interessiert weder dem türkischen Alleinherrscher noch seiner blindlings folgenden Anhängerschaft.

Der nach dem Putschversuch in der Türkei verhängte Ausnahmezustand wird um 90 Tage verlängert. Das hat das Kabinett beschlossen, das unter Vorsitz von Präsident Recep Tayyip Erdoğan zusammengekommen war. Der Sicherheitsrat hatte eine Verlängerung empfohlen.

Der von Erdoğan nach dem Putschversuch Mitte Juli verhängte Ausnahmezustand war am 21. Juli für 90 Tage in Kraft getreten und hätte bislang am 18. Oktober geendet. Unter ihm kann der Präsident per Notstandsdekret regieren. Mit der Verlängerung wird der Ausnahmezustand nun mit Ablauf des 15. Januars enden – oder auch nicht.

Das Parlament muss dem Kabinettsbeschluss noch zustimmen. Es gilt aber als sicher, weil Erdoğans islamisch-konservative AKP eine ausreichende Mehrheit hat. Die ultranationalistische Oppositionspartei MHP hatte ohnehin schon im Vorfeld ihre Unterstützung für die Maßnahme zugesichert, und eine Opposition, die diesen Namen verdient und ungestört Oppositionsarbeit im Parlament leisten kann, gibt es im türkischen „Marionetten-Parlament“ sowieso nicht mehr. Den Abgeordneten dieser Parteien wurde ohnehin vor Wochen die Immunität entzogen – und wer sich in der Vergangenheit „zu kritisch“ gegen die „Erdoğan-Politik“ äußerte, steht jetzt entweder unter Hausarrest, oder er macht sogar seine Erfahrungen mit türkischen Haftanstalten.

Opposition überwiegend gegen Verlängerung

Die größte Oppositionspartei CHP und die pro-kurdische HDP sind hingegen gegen den Ausnahmezustand. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu kündigte vergangene Woche an, gegen die Verlängerung zu stimmen. Gleichzeitig kritisierte er, Erdoğan missbrauche die Maßnahme, um seine Macht auszubauen, und jegliche Opposition – ob moderat oder nicht – völlig zum Schweigen zu bringen.

Es steht zu befürchten, dass sich die Türkei mithilfe des Ausnahmezustandes übergangslos in eine islamistische Diktatur im Sinne Erdoğans entwickeln wird, welche sowohl die türkische Gesellschaft insgesamt als auch die wirtschaftliche Entwicklung des Landes um Jahrzehnte und eventuell gar Jahrhunderte zurückwerfen wird, die sich auch auf Deutschland ganz besonders durch die zahlreichen hier lebenden „Erdoğan-hörigen“ Türken auswirken dürfte.

von

Günter Schwarz – 03.10.2016