Böhmermann kann’s nicht lassen mit der Türkei – VIDEO
(Köln) Jan Böhmermann (35) hat das Ende der Ermittlungen gegen ihn wegen seines „Schmähgedichts” mit scharfer Kritik an der türkischen Politik kommentiert, wobei er wieder einen gegen die türkische Regierung ausgeteilte. In seinem Statement zur Einstellung der Ermittlungen gegen ihn warf er der türkischen Regierung vor, gegen kritische Journalisten vorzugehen.
Die Spitze gegen das ZDF brachte er dagegen dezent an. Böhmermann nutzte das Video, um dezent gegen seinen Sender ZDF auszuteilen. „Es ist enorm wichtig, einen starken, selbstbewussten öffentlich-rechtlichen Sender mit klarer, unabhängiger Haltung hinter sich zu wissen, der Streit, Diskurs und Meinungsvielfalt nicht nur aushält, sondern auch befördert.“ Wohlwissend, dass das ZDF eben dies nicht getan hatte. So hatte der Sender die umstrittene Passage mit dem Schmähgedicht im Nachhinein entfernt und so beschnitten wieder in die Mediathek gestellt. Böhmermann aber sicherte zu: „Wir stehen zu 100 Prozent hinter dem ZDF.“
In Jeans und Polohemd hatte er an einer Art Jugendzimmer-Schreibtisch mit handgeschriebenem Namensschild Platz genommen, um sein Statement vorzulesen. Zunächst bedankte er sich bei der Staatsanwaltschaft Mainz, dass diese nicht den Aufwand gescheut habe, seine Sendung „Neo Magazin Royale“ vom 31. März 2016 anzuschauen. „Wir bei ZDF Neo können jeden aufmerksamen Zuschauer sehr gut gebrauchen.“
„Im Vergleich zu dem, was kritische Journalisten, Satiriker oder Oppositionelle in der Türkei damals und auch jetzt gerade durchmachen, ist dieses ganze Theater um die Böhmermann-Affäre schon wieder ein großer trauriger Witz”, sagte der Satiriker in einem am Mittwoch veröffentlichten YouTube-Clip. Auch den Wirbel, den das Gedicht in Deutschland ausgelöst hatte, kommentierte er mit einer Spitze: „Wenn ein Witz eine Staatskrise auslöst, ist das nicht das Problem des Witzes, sondern des Staates.”
Der Grimme-Preisträger hatte Ende März ein „Schmähgedicht” über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in seiner Sendung „Neo Magazin Royale” vorgetragen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte darauf unter anderem wegen Verdachts auf Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts gegen den TV-Moderator. Am Dienstag erklärte die Staatsanwaltschaft, nicht weiter zu ermitteln.
Ausgestanden ist die Affäre damit für Böhmermann aber noch nicht. Erdogans Münchner Anwalt will Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens einlegen. „Ich kann bestätigten, dass die Beschwerde eingelegt werden soll”, sagte Michael-Hubertus von Sprenger der Deutschen Presse-Agentur. Zuerst hatte die „Bild”-Zeitung darüber berichtet. Die Beschwerde müsse binnen 14 Tagen eingelegt werden, sagte von Sprenger weiter. „Bild” zufolge hat Erdogan seinen Anwalt angewiesen, die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Mainz anzufechten.
Unterschiedliche Reaktionen gab es am Tag nach Einstellung der Ermittlungen aus Ankara beziehungsweise Berlin. Während die türkische Regierungspartei AKP die Entscheidung der Mainzer Staatsanwaltschaft kritisierte, wollte Regierungssprecher Steffen Seibert die Gerichtsentscheidung nicht kommentieren: „Es ist alles gesagt”, so Seibert.
Die Staatsanwaltschaft Mainz hatte am Dienstag erklärt, Böhmermann seien keine strafbaren Handlungen mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen. Der Satiriker hatte das „Schmähgedicht” über Erdogan Ende März in seiner Sendung „Neo Magazin Royale” vorgetragen und wollte mit diesem Beispiel zeigen, was in Deutschland als Satire erlaubt und was auch hier verboten sei.
Der deutsch-türkische Abgeordnete Mustafa Yeneroglu nannte es einen „Skandal”, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Böhmermann eingestellt habe. Das sei „ein Armutszeugnis für die deutsche Justiz”, sagte der Erdoğan -Vertraute. Er gehe davon aus, dass Erdoğan Beschwerde gegen die Entscheidung einlegen werde.
Yeneroglu kritisierte weiter: „Dass eine derart offensichtliche Verletzung eines Straftatbestandes mit juristischen Taschenspielertricks und bester haarspalterischer Manier nicht weiterverfolgt wird, hätte ich als in Deutschland ausgebildeter Jurist nicht für möglich gehalten.” Die Staatsanwaltschaft habe sich „mitreißen lassen von der allgemeinen Stimmung gegen den türkischen Präsidenten und dabei jegliches Gespür für die juristische Rechtsanwendung verloren”.
Für die geplante Abschaffung des „Majestätsbeleidigungs”-Paragrafen liefen Gespräche in der Regierung, ein Gesetzentwurf werde „zu gegebener Zeit” vorgelegt, sagte Seibert. Nach einem entsprechenden Verlangen der Türkei gab die Bundesregierung Mitte April den Weg für Ermittlungen gegen Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Staatschefs nach dem entsprechenden Paragrafen 103 des Strafgesetzbuches frei.
von
Günter Schwarz – 06.10.2016