(Dresden) – Nach dem Suizid von Jaber al-Bakr räumt Sachsens Landeschef Stanislaw Tillich Fehler ein, da das JVA-Personal war nicht eingeweiht war, um wen es sich bei dem Untersuchungshäftling handele. Er weist jedoch den Vorwurf eines Staatsversagens zurück. Auch seinen angeschlagenen Justizminister nimmt er in Schutz, obwohl der neue Versäumnisse offenbart.

Nach dem Suizid des Terrorverdächtigen Jaber al-Bakr in einem Leipziger Gefängnis hat der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich Fehler eingeräumt. „Der Umgang mit dem des Terrorismus bezichtigten Häftlings ist nicht in dem Maße erfolgt, wie es notwendig gewesen ist“, sagte der CDU-Politiker. Zuvor hatte er bereits im Bundesrat eingeräumt, dass der „Suizid hätte verhindert werden müssen, in jedem Fall“. Er sei offen für eine unabhängige Untersuchungskommission, eine Ablösung seines Justizministers Sebastian Gemkow lehnte er aber ab.

Unterdessen bestätigte die Obduktion, dass sich al-Bakr selbst getötet hat. Der Tod sei durch Erhängen eingetreten, teilte der Leipziger Oberstaatsanwalt mit. Der 22-jährige Syrer al-Bakr hatte sich am Mittwochabend – zwei Tage nach seiner Festnahme – in der Untersuchungshaft mit seinem T-Shirt an einem Gitter in seiner Zelle erhängt. Die Verantwortlichen im Leipziger Gefängnis hatten zuvor keine akute Suizidgefahr gesehen. Der Selbstmord hatte parteiübergreifend Fassungslosigkeit ausgelöst.

Al-Bakr wurde nicht vernommen

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte die vollständige Aufklärung des Vorfalles. In der JVA Leipzig sei offensichtlich „etwas schiefgelaufen“, und es habe Fehleinschätzungen gegeben, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. „Wichtig ist, dass gründlich untersucht wird, was ist falsch gelaufen, was ist falsch eingeschätzt worden.“ Entsprechenden Forderungen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière schließe sich die Kanzlerin an.

Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden hatte al-Bakr einen Sprengstoffanschlag auf einen Berliner Flughafen geplant. Vernommen wurde der 22-Jährige nicht, wie aus dem Zeitablauf der Untersuchungshaft hervorgeht, den die Behörden vorgelegt hatten. Das bestätigen Recherchen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) in Sicherheitskreisen.

Demnach durften die sächsischen Behörden den Mann nicht mehr vernehmen, weil der Generalbundesanwalt das Verfahren bereits an sich gezogen hatte. Allerdings steht auch die Frage im Raum, warum der Generalbundesanwalt der Mann nicht umgehend nach Karlsruhe hat überführen lassen, nachdem er den Fall an sich gezogen hatte.

Gemkow nimmt Personal in Schutz

Tillich sagte im Bundesrat, anhand der Ermittlungsergebnisse müsse genau geprüft werden, „ob wir Gesetze und Vorschriften anpassen müssen“. Der Vorwurf des Staatsversagens wies er zurück. „Natürlich kann man immer noch dieses und anderes besser machen, Fehler ausmerzen und aus den Fehlern lernen.“ Zuvor hatte Sachsens Justizminister Gemkow einen Rücktritt erneut abgelehnt. „Weil es auch ein Stehlen aus der Verantwortung wäre“, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk.

Die Bediensteten in der Justizvollzugsanstalt Leipzig hätten sich an die Vorschriften gehalten, so Gemkow. Gleichzeitig räumte er ein: „Heute würden wir einiges anders machen.“ Gemkow erklärte, die Experten in der JVA hätten nicht so wirklich gewusst, wen sie vor sich hatten. Sie hätten von den Ergebnissen der Ermittlungen über einen verhinderten islamistischen Anschlag keine Kenntnis gehabt, sondern nur aus den Medien darüber erfahren.

von

Günter Schwarz – 14.10.2016