(brüssel) – Das unterschriftsreife Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (Ceta) droht am hartnäckigen Widerstand der belgischen Region Wallonien gescheitert. Dieses verkündete die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland – die Verhandlungen sind gescheitert.

Die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland hat das Ende und das Scheitern der Gespräche mit der Wallonien über das Handelsabkommen EU-Kanada (Ceta) verkündet. Es wurde von offizieller Seite bestätigt. „Es scheint für mich und Kanada offensichtlich, dass die Europäische Union derzeit nicht in der Lage ist, ein internationales Abkommen abzuschließen», sagte Freeland zu Reportern. „Nicht einmal mit einem Land, das europäische Werte teilt wie Kanada. Kanada ist enttäuscht, ich persönlich bin sehr enttäuscht. Ich habe sehr, sehr hart gearbeitet, aber ich denke, es ist unmöglich. Wir haben entschieden, nach Hause zurückzukehren, und ich bin wirklich sehr, sehr traurig. Das ist eine sehr emotionale Angelegenheit für mich. Und die einzige gute Sache, die ich anführen kann, ist, dass ich morgen bei meinen drei Kindern sein werde.“


Die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland ist aus Brüssel abgereist.
Ist die EU noch entscheidungsfähig?

Für die Europäische Union dürfte sich in den nächsten Wochen und Monaten die Frage stellen, wer für das vielleicht folgenschwerste Debakel der europäischen Handelspolitik verantwortlich ist. „Die gemeinsame Handelspolitik ist eine Kernkompetenz der EU», hält der Korrespondent Sebastian Ramspeck in Brüssel fest. „Anders als beispielsweise in der Flüchtlingspolitik oder in der Außenpolitik hat die EU hier wirklich etwas zu sagen und hat hier auch Erfolge vorzuweisen.“ Wenn es der EU nun auch in diesem Kernbereich nicht mehr gelinge, Entscheide zu treffen, dann sei die Frage berechtigt, wo denn sonst überhaupt die EU noch entscheidungsfähig sei, so Ramspeck.

Zentralregierung machtlos

Der belgische Premierminister Charles Michel hatte sich zuvor angesichts des anhaltenden Widerstands gegen das Freihandelsabkommen Ceta (Comprehensive Economic and Trade Agreement) in seinem Land machtlos gezeigt. Ihm bleibe nichts anderes übrig, als die Positionierung des wallonischen Parlaments zu respektieren, machte Michel nach dem EU-Gipfel in Brüssel deutlich.

Der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette sah nach stundenlangen Verhandlungen mit Vertretern der EU und Kanadas zwar Fortschritte, aber wegen der strittigen Frage der Schiedsgerichte kam noch keine Einigung zustande.

Scheitern wegen einer Region?

Die belgische Zentralregierung ist zwar wie die der anderen 27 EU-Länder für das Abkommen. Ihr sind aber die Hände gebunden, solange die Region Wallonien ihre Zustimmung weiter versagt. Das Freihandelsabkommen Ceta wiederum kommt nur dann zustande, wenn es alle EU-Staaten unterzeichnen. In der wallonischen Hauptstadt Namur verhandelte die dortige Regionalregierung am Freitagnachmittag weiter – unter anderem mit auch kanadischen Regierungsvertretern.


Der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette steht plötzlich im Rampenlicht.
Verlierer der Globalisierung

Das Parlament der gut 3,5 Millionen Einwohner zählenden Wallonie, die nicht einmal ein Prozent der mehr als 500 Millionen EU-Bürger repräsentiert, lehnte Ceta vorige Woche mit großer Mehrheit ab. Kritiker befürchten Nachteile für die Wirtschaft – etwa für Bauern durch billige Fleischimporte.

Während es in dieser Frage Fortschritte gegeben habe, sei der Streit über die Schiedsgerichte noch nicht beigelegt worden, sagten Diplomaten. Hier befürchten Gegner, dass diese von großen Konzernen zu deren Gunsten ausgenutzt werden könnten – etwa um Einfluss auf die Politik zu erhalten und missliebige Reformen zu stoppen.

Argwohn in Wallonien

Die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten erhoffen sich von dem seit 2009 verhandelten Pakt mit Kanada mehr Handel und Wachstum durch den Abbau von Zöllen und durch einheitliche Standards. Befürworter gehen davon aus, dass dadurch das Bruttoinlandsprodukt in der Europäischen Union um jährlich zwölf Milliarden Euro gesteigert werden könnte und neue Arbeitsplätze entstehen.

In der Wallonie werden diese Argumente argwöhnisch verfolgt. Die Provinz – einst mit Kohle und Stahl zu Reichtum gekommen – fühlt sich als Verlierer der Globalisierung, durch die viele Jobs nach Asien verlagert wurden. Erst im September kündigte der US-Baumaschinenkonzern Caterpillar an, 2000 Stellen in seiner wallonischen Fabrik zu streichen.

von

Günter Schwarz  – 22.10.2016