(Schleswig / Kiel) – Heimkinder als Versuchsobjekt – eine grauenhafte Vorstellung! In der Nachkriegszeit sollen Medikamente an Heimkindern getestet worden sein. Es geht demnach um zahlreiche Versuchsreihen, die neben in anderen deutschen Heimen für Kinder und Jugendliche auch im Landeskrankenhaus des Landes Schleswig-Holstein durchgeführt wurden.

Das Sozialministerium der Landesregierung in Schleswig-Holstein kündigte bereits vor zwei Wochen die Aufarbeitung der Fälle in Schleswig-Holstein an. Unter anderem soll in der Schleswiger Jugendpsychiatrie des damaligen Landeskrankenhauses ein mittlerweile verstorbener Arzt zwei Medikamente an insgesamt 95 Kindern und Jugendlichen erprobt haben. Die Landesregierung stimmte einer wissenschaftlichen Aufarbeitung der Versuche an und stellte den geschädigten Kinder von damals sogar eine Entschädigung in Aussicht, aber konkret geschehen ist bislang absolut noch gar nichts – abgesehen von der typischen Abwehrhaltung: man prüfe, man arbeite, man tue ja… die üblichen Ausreden von Politikern, wenn sie untätig sind und sich den Bürgern gegenüber taub stellen.

Die ehemalige Landespastorin Petra Thobaben arbeitet im Auftrag des Sozialministeriums Fälle von Missbrauch und Gewalt auf. Anfang des Jahres übergab Thobaben dem Ministerium ihren Bericht. In einem NDR Interview erklärt sie nun, sie habe kein großes Interesse vonseiten der Landesregierung an ihrer Arbeit wahrgenommen. Das Sozialministerium wirke ein wenig hilflos und zögerlich, wenn es um die Aufarbeitung der Geschehnisse im Landeskrankenhaus Schleswig gehe. Sie hinterfragt auch ihre eigene Rolle sie in dieser Sache: „Man könnte auf die Idee kommen, zu sagen: Ich habe eine Alibi-Funktion.“

Nach den Enthüllungen hätte sie erwartet, dass das Ministerium offensiver mit dem Thema umgeht und handelt, sagte Thobaben. Doch das hat sie sich sicher getäuscht, denn das Land warte doch nur darauf, dass die Betroffenen alle nach und nach wegsterben werden – und dann hat sich das „Problem“ für das Land ohnehin erledigt.

von

Günter Schwarz  – 28.10.2016