(London) – Die britische Regierung darf den Brexit nicht alleine einleiten. Das bringt den Zeitplan gehörig durcheinander und ist ein Rückschlag für Theresa May. Der High Court (Hohes Gericht) in London kommt ihrer Strategie in den Brexit-Verhandlungen mit Brüssel in die Quere. Premierministerin May wollte eigentlich das Königliche Hoheitsrecht nutzen, um am Parlament vorbei den Brexit zu beantragen. Doch laut Gerichtsentscheid muss das Parlament zuvor grünes Licht für den Brexit geben. Die Regierung will das Urteil anfechten, sie sprach von einem „enttäuschenden“ Urteil und kündigte Berufung vor dem Obersten Gerichtshof an.

Die britische Premierministerin Theresa May muss die Zustimmung des Parlaments für die geplanten EU-Austrittsverhandlungen mit Brüssel einholen. Das entschied der Londoner High Court. Beobachter rechnen damit, dass sich der Beginn der Austrittsverhandlungen nun erheblich verzögern könnte.

Die britische Regierung hat angekündigt, das Brexit-Urteil des Gerichts anzufechten. Das teilte die Regierung unmittelbar nach Bekanntgabe der Entscheidung des Gerichts in London mit. Die britische Premierministerin Theresa May hatte noch vor wenigen Wochen erklärt, bis zum 31. März 2017 gemäss Paragraf 50 der Lissaboner Verträge in Brüssel den Austritt aus der EU anzumelden. Die Frage, mit der sich nun der High Court beschäftigte, drehte sich darum, ob sie das ohne Zustimmung des Parlaments darf oder nicht – und sie darf es nicht!

Mehrheit der Abgeordneten Brexit-Gegner

May hatte eine Abstimmung im Parlament über den Beginn der Austrittsverhandlungen gemäß Artikel 50 des Lissabon-Vertrags bislang ausgeschlossen. Das sei „ausschließlich Sache der Regierung“. Das Parlament werde aber „zu Wort kommen“, hatte sie angekündigt.

May wollte dafür das königliche Hoheitsrecht nutzen, das in der Vergangenheit nur vom britischen Königshaus genutzt wurde. Dessen Befugnisse sind aber mittlerweile auf die Regierung übergegangen. Unter anderem können damit so weitreichende Entscheidungen wie eine Kriegserklärung ohne Parlamentsabstimmung beschlossen werden. Auch bei der Verhandlung von Verträgen kam das Hoheitsrecht bereits zur Anwendung.

Aber sollte das Urteil des High Courts vom Obersten Gerichtshof bestätigt werden, könnte es dem Parlament einen mächtigen Hebel in die Hand geben, um die Verhandlungsstrategie der Regierung über den EU-Austritt zu beeinflussen. Brexit-Befürworter befürchten gar, der Ausstieg des Landes könne ganz vereitelt werden. Die Mehrheit der Abgeordneten in beiden Kammern gilt als Brexit-Gegner.

Mays Fraktion bei Mitsprache gespalten

Als Klägerin trat unter anderem die Investmentmanagerin Gina Miller auf. Sie hatte argumentierte, das Parlament dürfe bei einer weitreichenden Entscheidung wie dem Austritt aus der EU nicht umgangen werden. Die Gegenseite berief sich dagegen auf die Entscheidung des britischen Volkes beim EU-Referendum.

Auch aus Mays Fraktion fordern viele Abgeordnete eine Mitsprache über die Verhandlungsstrategie der Regierung. Das lehnte May bislang mit dem Argument ab, eine öffentliche Debatte im Parlament über die Brexit-Strategie der Regierung schade deren Verhandlungsposition. Es werde «keine laufenden Kommentare» zum Prozess der Brexit-Verhandlungen geben.

Schneller Verhandlungsabschluss in weiter Ferne

Am 23. Juni hatten die Briten in einer historischen Abstimmung für einen Austritt ihres Landes aus der EU gestimmt. Die Verhandlungen mit der EU darüber sollten spätestens Ende März nächsten Jahres beginnen.

Sobald Artikel 50 aktiviert ist, hat Großbritannien zwei Jahre Zeit, mit der EU die Trennungsmodalitäten auszuhandeln. Ob der Austritt innerhalb dieses Zeitraums gelingt, bleibt vorerst abzuwarten. Auszuschließen ist auch nicht, dass dieser Rückschlag der Premierministerin zu einer Regierungskrise im Vereinigten Königreich führen wird, die zu einem Ende der Regierung May führt.

von

Günter Schwarz  – 03.11.2016