Ungefähr 30 Millionen Amerikaner haben ihr Votum bereits abgegeben. Mehr Afroamerikaner und Hispanics als erwartet haben in den umkämpften „Swing States“-Staaten Nevada und Florida bereits per „early vote“ (Frühabstimmung) ihre Stimme abgegeben. Vorgezogene Stimmabgaben in Nevada und Florida signalisieren bereits jetzt eine hohe Mobilisierung von Afroamerikanern und Hispanics, die traditionell Demokraten wählen. Die renommierte Meinungsforscherin Anna Greenberg geht aufgrund einer stärkeren Beteiligung von Afroamerikaner und Hispanic-Wählern  von einem Sieg Clintons aus.

Der wilde, unberechenbare US-Wahlkampf geht auf die Zielgerade, denn in zwei Tage wird am Dienstag der „Tag der Wahrheit“ sein uns allem Rätselraten ein Ende bereiten. Während Hillary Clinton am Samstag noch in Miami und Philadelphia auftrat, und Donald Trump nach Florida, North Carolina, Colorado und Nevada jettete, hat im Hintergrund bereits das große Rechnen begonnen.

Nachdem Trump in Umfragen in der vergangenen Woche aufgrund der neuerlichen FBI-Hinweise auf Clintons E-Mails aufgeholt hatte, signalisieren die vorzeitigen Stimmabgaben dennoch einen leichten Vorteil für Clinton in zwei wichtigen „Swing States“.

In Nevada wird von hoher Wahlbeteiligung der Hispanics und Afroamerikaner berichtet, die mit deutlicher Mehrheit Clinton wählen dürften. Clark County, in dem zwei Drittel der registrierten Wähler leben, vermeldete am Freitag mit 57 000 vorab abgegebenen Stimmen einen neuen Rekord. Berechnungen zufolge führt Clinton in Nevada mit 46.000 Stimmen oder sechs Prozent. Jon Ralston, in Nevada eine Institution in Umfrage-Analysen, hat die Republikaner im Bundesstaat bereits für „tot“ erklärt.

In Florida endete die vorzeitige Stimmabgabe am Samstag. Dort geht es ebenfalls um die Mobilisierung der Kernwählerschaften und auch dort sprechen einige Signale für Clinton: Afroamerikaner gingen gleich an mehreren Tagen häufiger als bislang zur Stimmabgabe, auch die Wahlbeteiligung der Hispanics liegt über den Erwartungen.

Insgesamt zeichnet sich ab, dass der Stimmanteil von Minderheiten in Florida weiter wächst. Dies begünstigt die Demokraten. Die Republikaner sind in der Regel am Wahltag stärker aktiv als Demokraten, allerdings hat die Hälfte der Wahlberechtigten bereits abgestimmt. Donald Trump muss der gängigen Lesart zufolge Florida gewinnen, um überhaupt eine Chance auf das Weiße Haus zu haben.

Die große Unbekannte der US-Wahl ist laut dem New Yorker Soziologen Herbert Gans, wie einflussreich die Stimmen der weißen Arbeiter sein werden. Sie gelten als die wichtigsten Unterstützer Donald Trumps. Armut war im Wahlkampf – abseits von Stehsätzen – nur in Zusammenhang mit Weißen ein Thema. Dabei sind Schwarze und Hispanics viel mehr betroffen. US-Soziologe Gans dreht die Unterstellung Trumps, Demokraten könnten mit Hilfe der Minderheiten die Wahl fälschen, daher um und sagt: „Aus Sicht armer Schwarzer und Hispanics ist die Wahl sicher manipuliert“.

Der amerikanische Schriftsteller Jonathan Franzen (57) befürchtet einen sogar Gewaltausbruch in den USA, sofern die Demokratin Hillary Clinton die Präsidentenwahl gegen ihren republikanischen Konkurrenten Doland Trump gewinnen solltet. Besonders in den ländlichen Staaten im Westen könne dieses Problem auftreten und ernst werden.

„Meine Furcht ist jetzt, dass Trumps Kandidatur das zivile Gewebe unserer Nation so schwer beschädigt hat, dass Hillary, falls sie gewählt wird, ihr erstes Jahr im Amt mit bewaffneten Aufständen von Gruppen könnte zubringen müssen, die die Rechtmäßigkeit ihrer Wahl bestreiten“, sagte Franzen. Er vergleicht Donald Trump noch nicht einmal mit Frauke Petry von der AfD sondern sogar mit Adolf Hitler und sagt: „Einen Vergleich Trumps mit der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry möchte Franzen nicht ziehen, denn beim ,Trumpismus‘ dreht sich alles um Trump. Insofern Trump mit Petry zu vergleichen, halte ich deshalb nicht für ergiebig. Ich glaube im Ernst, der passendere Vergleich ist Trump mit Adolf Hitler.“

Trump animiert zu Gewalt, äußert lautstark seine Verachtung für den Wahlvorgang und habe sich „Nur ich kann Amerika retten“ als Motto gewählt. „Das ist weit weg von Petry, die, bei allen Schwächen, nicht messianisch scheint und nicht mitten in der Nacht gemeine Tweets über die Gewichtsprobleme einer Frau absetzt. Trump ist eine zutiefst krankhafte Persönlichkeit“, so Franzen.

von

Günter Schwarz  – 06.11.2016