HDP setzt Mitarbeit im türkischen Parlament aus
Nach der Festnahme ihrer Vorsitzenden und mehrerer weiterer Abgeordneter will die pro-kurdische Oppositionspartei HDP (Halkların Demokratik Partisi / Demokratische Partei der Völker) das türkische Parlament boykottieren. Die HDP ist mit 59 Sitzen die drittstärkste Partei im türkischen Parlament.
Aus Protest gegen die Verhaftung ihrer Vorsitzenden und zahlreicher weiterer Abgeordneter in der Türkei setzt die pro-kurdische Oppositionspartei HDP ihre parlamentarische Arbeit weitgehend aus und wird bis auf weiteres nicht mehr an Gesetzesabstimmungen und an Ausschusssitzungen teilnehmen.
Die zweitgrößte Oppositionspartei in der Nationalversammlung in Ankara teilte mit, sie ziehe sich zunächst aus allen Gesetzgebungsverfahren zurück. Über das weitere Vorgehen werde sie mit ihren Anhängern beraten. Pir sagte: „Wir werden uns zurückziehen und in den nächsten zwei, drei Wochen mit der Bevölkerung und den demokratischen Kräften in der Türkei diskutieren, wie wir weitermachen. Dann entscheiden wir. Wir halten uns alle Optionen offen – auch die, die Partei ihre 59 Mandate im Parlament aufgebe. Denkbar seien sowohl eine Rückkehr zur parlamentarischen Arbeit oder die Aufgabe der Mandate.“ Er fügte hinzu: „Wir geben die Entscheidung an unsere Wähler ab.“
„Schwärzesten Angriff“ auf die Partei
In einer in der Kurdenmetropole Diyarbakir verlesenen Erklärung der HDP hieß es, die Partei reagiere damit auf „den umfassendsten und schwärzesten Angriff in der Geschichte unserer demokratischen Politik“. Am Freitag war gegen die Doppelspitze aus Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag sowie gegen sieben weitere Abgeordnete der HDP wegen Terrorvorwürfen Untersuchungshaft verhängt worden.
Auch der Fraktionschef Idris Baluken gehört zu den Abgeordneten, die in Untersuchungshaft sitzen. Erdoğan wirft der HDP vor, der verlängerte Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK im Parlament zu sein.
Türkischer Minister regt Treffen mit EU an
Nach der jüngsten Verhaftungswelle will der türkische Europaminister, Ömer Celik, die Vertreter aller EU-Staaten in Ankara zu einem außerplanmäßigen Treffen einladen. Es soll am Montag stattfinden. Celik will dann über die „jüngsten Entwicklungen im Land“ berichten, wie es hieß.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hatte schon am Freitag mitgeteilt, sie habe ein „Treffen der EU-Botschafter in Ankara“ einberufen. Die Türkei und die EU haben 2005 offiziell Beitrittsverhandlungen aufgenommen. Angesichts der jüngsten Entwicklungen in dem Land nach dem gescheiterten Militärputsch Mitte Juli werden aber zunehmend Rufe laut, diese Verhandlungen abzubrechen.
von
Günter Schwarz – 06.11.2016