Skandal-Auftritt bei Anne Will: Einer vollverschleierten konvertierte Muslima aus der Schweiz wird vorgeworfen, den islamistischen Terror in Syrien zu verharmlosen und „Kriegspropaganda“ betrieben zu haben. „Anne Will“-Redaktion geriet in die Kritik, und bereits in der Sendung wurde Kritik in den Sozialen Netzwerken laut.

Nach dem Themen-Tatort folgt am gewöhnlichen Sonntagabend der Talk. Die Gesprächsrunde um Anne Will zu der Frage, warum sich immer mehr Jugendliche einem radikalisierten Islamismus zuwenden, war allerdings am gestrigen Sonntagabend alles andere als gewöhnlich. Das lag vor allem an Nora Illi – einer 30-jährigen Schweizerin, die sich im Alter von 18 Jahren dem Islam zugewendet hat und ihn seither sehr streng auslegt. Das äußert sich unter anderem darin, dass sie sich nur vollverschleiert in die Öffentlichkeit begibt.

Die Niqab-Trägerin Illi wurde von Anne Will als „Frauenbeauftragte des sogenannten Islamischen Zentralrats der Schweiz“ vorgestellt. Später präzisierte Will, man „müsse vielleicht sagen“, der Islamische Zentralrat der Schweiz sei kein offizielles Vertretungsorgan aller in der Schweiz lebenden Muslime. Er sei durchaus umstritten und „ein bisschen kleiner“. Dem Verein werde auch eine radikalislamische bis islamistische Ausrichtung vorgeworfen.

Fakt ist tatsächlich: Anne Will hatte sich da eine Vertreterin einer radikalen, kleinen Splitter-Randgruppe eingeladen. Der „Schweizer Islamische Zentralrat“ vertritt mit seinen 3700 Mitgliedern weniger als ein Prozent der rund 400.000 Schweizer Muslime. Ihm wird vorgeworfen, regelmäßig Hassprediger einzuladen und anzustreben, eine Parallelgesellschaft zu errichten. Im ORF sagte Nora Illi vor einigen Jahren: „Wir bewegen uns in der Gesellschaft, brauchen uns aber nicht zu assimilieren.“ Sie sprach in diesem Zusammenhang von einer „Parallelgemeinschaft“. Schweizer Imame und Muslime distanzieren sich regelmäßig von dem sogenannten Zentralrat.

„Hören Sie auf, das ist Kriegspropaganda!“

Bereits während der Sendung wurden im Internet Stimmen erboster Zuschauer laut. Hauptkritikpunkt: Man bot islamistischen Parolen eine Plattform. In der Sendung wurde ein Einspieler gezeigt, der einen Text Illis zitiert. Darin hieß es: „Muslime sind weltweit massivsten Repressionen ausgesetzt. Kein Wunder also, dass die Versuchung riesig sein muss, aus diesem Elend auszubrechen, ja, die Hijra, also die Einreise in ein islamisches Land nach dem Vorbild des Propheten zu vollziehen, um dann im gelobten Syrien gegen die Schergen Assads und für Gerechtigkeit zu kämpfen. Daran ist aus islamischer Sicht auch gar nichts auszusetzen. Eine solche Überzeugung muss man, in den hiesigen Kontext übersetzt, als Zivilcourage hochloben.“ Und weiter: „Facebook und Youtube“ könnten „die brutale Kriegsrealität vor Ort nur für kurze Zeit überblenden.“ Der Krieg habe hingegen nichts mit verklärter Wunschträumerei zu tun, sondern sei eine „Langzeitprüfung mit ständigen Hochs und Tiefs.“

Dieser Text flog Illi auch in der Sendung um die Ohren, als sie ihn anschließend zu verteidigen versuchte. „Also bitte, hören Sie auf, das geht gar nicht, nein, nein, das ist Propaganda!“, fuhr ihr der Islamismusexperte und Psychologe Ahmad Mansour über den Mund. Doch Illi redete weiter, erklärte, sie verharmlose den Krieg nicht, sondern mache lediglich deutlich, dass man sein Leben aufgebe, wenn man in ein Kriegsgebiet reise. Mansour legte nach: „Das ist ein klarer Ruf dazu, dass die Menschen nach Syrien gehen. Das kann man im öffentlichen Fernsehen nicht machen. Das darf man nicht! […] Das ist eine offene Kriegspropaganda!“

Damit wurde die Diskussion in der Sendung auf eine andere Ebene gehoben – es ging nun auch um Kritik an der Anne-Will Redaktion. CDU-Politiker Wolfgang Bosbach sprang dem Psychologen zur Seite und schlug in dieselbe Kerbe: „Frau Will, ich verstehe das nicht. […] Es wird zu Recht gesagt: Müsste der Staat nicht noch mehr tun, um so etwas zu verhindern. Und dann läuft im öffentlich-rechtlichen Fernsehen so ein Text. Bitterharte Langzeitprüfung hört sich an wie Iron-Man!“ Millionen hätten diesen Text nun gesehen.

Die vollverschleierte Frauenbeauftragte ließ nicht locker. Sie verteidigte ihre Wortwahl weiter: Wenn man den Krieg pauschal verurteile und den Jugendlichen sage, Krieg sei immer brutal, dann würden sie nicht zuhören. Es gehe darum, Verständnis zu zeigen. Eine Ansicht, die von der übrigen Runde empört zurückgewiesen wurde.

Und auch im Internet sind die kritischen Stimmen deutlich. Die Sprecherin einer radikalen Splittergruppe erreichte nun dank der Sendung ein Millionenpublikum, hieß es da etwa. Viele Kommentatoren warfen in den sozialen Netzwerken die Frage auf, aus welchem Grund man solche Äußerungen überhaupt zeige. „Nicht nur aus Sicht von Herrn Bosbach wird hier islamistischer Propaganda eine Bühne geboten“, schrieb etwa eine Zuschauerin auf Twitter.

von

Günter Schwarz – 07.11.2016