Luxemburgs Außenminister Asselborn wirft Erdoğan Nazi-Methoden vor
Europäische Politiker blicken mit Sorge auf die jüngsten Ereignisse in der Türkei. Einige fordern, die Beitrittsverhandlungen auf Eis zu legen. Besonders der luxemburgische Außenminister scheut nicht vor deutlicher Wortwahl zurück und scheut sich nicht, der Türkei EU-Sanktionen anzudrohen. Er fragt sich, ob sich in der Türkei gerade die deutsche Geschichte wiederholt? Jedenfalls ist der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn davon überzeugt und vergleicht die aktuelle Entwicklung mit jener aus der Nazi-Zeit.
Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hat die aktuellen Entwicklungen in der Türkei mit denen in der Nazi-Zeit verglichen. Zum Vorgehen gegen Regierungsgegner unter dem von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan ausgerufenen Ausnahmezustand sagte Asselborn im Deutschlandfunk: „Das sind Methoden, das muss man unverblümt sagen, die während der Nazi-Herrschaft benutzt wurden.“ Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Regierung in Ankara seien bereits jetzt „theoretisch“ ausgesetzt. Asselborn brachte zudem mögliche Wirtschaftssanktionen gegen Ankara ins Spiel. „50 Prozent der Exporte der Türkei gehen in die Europäische Union“, sagte der Minister. „60 Prozent der Investitionen in die Türkei kommen aus der Europäischen Union. Das ist ein absolutes Druckmittel. Und in einem gewissen Moment kommen wir nicht daran vorbei, dieses Druckmittel einzusetzen, um die unsägliche Lage der Menschenrechte zu konterkarieren.“
Asselborn gab zu einem möglichen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen zu bedenken, „dass es Millionen Menschen in der Türkei gibt, die glauben, dass die einzige Hoffnung, um aus diesem Loch herauszukommen, die Europäische Union ist“.
Auch in anderen EU-Ländern wird die Kritik immer lauter. „Was die Türkei gegenwärtig macht, entfernt sie weiter von Europa. Wer die Todesstrafe einführt, ist damit nicht EU-fähig“, sagt der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok. „Da kann man keine Verhandlungen mehr führen.“ Den Flüchtlingspakt mit dem Land verteidigt er jedoch und meint: „Man dürfe deswegen nicht sagen, wir könnten die Flüchtlinge in der Türkei nicht unterstützen.“
Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth hat angesichts des harten Vorgehens in der Türkei gegen Opposition und Medien zudem einen Ausstieg aus dem Flüchtlingsabkommen mit der EU gefordert. Es sei „höchste Zeit“, diesen „Flüchtlings-Abwehr-Deal“ zu beenden, statt sich vom türkischen Präsidenten Erdoğan vorführen, beschimpfen und erpressen zu lassen „und ihn dadurch ja nur zu unterstützen“, sagte Roth dem Radiosender Bayern2. Auch die Nato, die sich ja als „Wertegemeinschaft“ verstehe, sei gefordert: „Ich finde, dass die Stationierung von deutschen Bundeswehrsoldaten in Incirlik schnellstmöglich auf den Prüfstand gehört“, sagte Roth. Die Türkei befinde sich „auf schleunigstem Weg in die Diktatur“.
„Rote Linie längst überschritten“
Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz forderte – wie auch Brok – einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der EU. „Ein Land, das versucht, Journalisten und Oppositionsführer einzusperren, hat in der Europäischen Union keinen Platz“, sagte der Politiker der konservativen ÖVP der „Passauer Neuen Presse“. Für ihn sei „die Rote Linie längst überschritten“.
Die Verhaftung der Parteispitze der prokurdischen Oppositionspartei HDP hatte international für Empörung gesorgt. Auch die EU-Kommission, die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Erweiterungskommissar Johannes Hahn hatten die Festnahme der beiden Parteivorsitzenden und mehrerer Abgeordneter scharf kritisiert. Zuvor war Ankara bereits wegen einer Festnahmewelle gegen Journalisten und der Schließung regierungskritischer Medien in die Kritik geraten.
Angesichts der angespannten Lage empfängt der türkische Europaminister Ömer Celik die Vertreter aller EU-Staaten in Ankara zu einem außerplanmäßigen Treffen, um über die „jüngsten Entwicklungen im Land“ zu berichten.
Erdoğan hatte nach den jüngsten Verhaftungen von kritischen Journalisten und Oppositionsabgeordneten in der Türkei letztmals am Sonntag deutlich gemacht, dass ihn Kritik aus dem Ausland überhaupt nicht interessiere. „Es kümmert mich überhaupt gar nicht, ob sie mich einen Diktator oder Ähnliches nennen“, sagte er. „Das geht zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Wichtig ist, was mein Volk sagt.“
von
Günter Schwarz – 08.11.2016